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A n n e F r a n k 1 9 3 9 Impressum Anne Frank Zentrum | Rosenthaler Straße 39 | 10178 Berlin | Tel: +49 (0)30 288 86 56 00 | Fax: +49 (0)30 288 86 56 01 E-Mail: zentrum@annefrank.de | Internet: www.annefrank.de | Facebook: www.annefrank.de/facebook Redaktion: Dina Blauhorn, Patrick Siegele, Veronika Nahm und das Team des Anne Frank Zentrums | Korrektorat: Céline Grünewald, Lilli Marla Gude und Beatrice Ihoual | Grafik: Anna-Maria Roch Fotonachweis: Anne Frank Zentrum, Berlin | Fotos von Anne Frank: Fotosammlung des Anne Frank Hauses, Amsterdam | Auf dem Titel: Gruppenfoto bei der hybriden Eröffnungsveranstaltung des Anne Frank Tages 2020 © Anne Frank Zentrum, Foto: Ruthe Zuntz | © Innenseiten: Anne Frank Zentrum. Angaben zu den Fotograf*innen und abweichende Copyright - informationen finden sich bei den jeweiligen Fotos. Mai 2021, Anne Frank Zentrum Das Anne Frank Zentrum Das Anne Frank Zentrum ist die deutsche Partnerorganisation des Anne Frank Hauses in Amsterdam. Mit Ausstellungen und Bildungsangeboten erinnert das Zentrum an Anne Frank und ihr Tagebuch. Es schafft Lernorte, in denen sich Kinder und Jugendliche mit Geschichte auseinandersetzen und diese mit ihrer heutigen Lebenswelt verbinden. Sie lernen gesellschaft - liche Verantwortung zu übernehmen und sich für Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie zu engagieren. Das Anne Frank Zentrum zeigt eine ständige Ausstellung in Berlin und Wanderausstellungen in ganz Deutschland. Es setzt bundesweit Projekte um und entwickelt Materialien zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust sowie mit Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung heute. Der gemeinnützige Verein hat seinen Sitz in Berlin und ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe sowie Mitglied im Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten.

Jahresbericht 2020 Anne Frank Zentrum 4 Vorwort 6 Anne Frank Zentrum 7 Freund*innen und Unterstützung gesucht! 10 Das Jahr 2020 in Zahlen 11 Wichtige Termine 2020 12 Das Kompetenznetzwerk Antisemitismus 13 Wer macht was im Kompetenznetzwerk Antisemitismus? 14 Fortbildung und Handreichung »Antisemitismus – Geschichte und Aktualität« 15 Digitale Tagung »Antisemitismus und Rechts - extremismus: Angriffe auf die Demokratie« 16 Ausstellung Berlin 17 Das Ausstellungsjahr 2020 im Überblick 18 Angebote vor Ort in »Alles über Anne« 20 Digitale Angebote und Materialien 22 Wanderausstellungen 23 Die Wanderausstellungen im Überblick 24 Vernetzungstreffen für Multiplikator*innen 26 Ausstellungsprojekte in Justiz voll zugs anstalten 27 Digitaler Fachtag »Prävention von Antisemitismus im Strafvollzug« 28 Das Jugendnetzwerk 29 Anne Frank Botschafter*innen Programm 2020 32 Anne Frank Tag 34 Entwicklung – Neue Lernformate: Projekte und Materialien 35 Projekte 37 Lernmaterialien 40 Veranstaltungen 40 Fachforum: »Lokal engagiert im ländlichen Raum« 41 Online-Seminar: »Weiterleben nach der Shoah – Ansätze zur Vermittlung von 75 Jahre Kriegsende und Befreiung für junge Lernende« 42 Intersektionalität und Empowerment in der Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus 42 Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus 44 Organisation 45 Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2020 46 Kommunikation 48 Die Partnerorganisation Anne Frank Haus im Jahr 2020 49 Gremien und Mitgliedschaften 50 Kontakt

F o t o : S t e p h a n P r a m m e Vorwort Liebe Leser*innen, 2020 war ein einschneidendes Jahr für uns alle und auch für die Arbeit des Anne Frank Zentrums. Die Corona-Pandemie hat vieles bewirkt, auf das wir reagieren mussten und müssen. Nach einem anfänglichen sehr guten Start in das Jahr mit sehr hohen Besucher*innenzahlen in der Berliner Aus - stellung und einer großen Anzahl geplanter Wanderaus - stellungen, setzte die Corona-Pandemie dieser Entwicklung ein rapides Ende. Und auch sonst waren wir in unserer Arbeit stark eingeschränkt – und sind es noch. Wir mussten neue kreative Lösungen finden, um unsere Arbeit fortzusetzen. So haben wir seit März 2020 zahlreiche digitale Angebote ent- wickelt, um Ersatz für das Lernen in Präsenz zu schaffen. Einige der neuen Formate werden auch nach Ende der Pandemie bleiben. Die Fortsetzung unserer Arbeit und deren digitale Weiterent- wicklung waren und sind von enormer Bedeutung. Bitte unterstützen Sie das Anne Frank Zentrum deswegen weiter- hin in seiner Arbeit! Bei allen, die dies bereits tun, möchte ich mich sehr herzlich an dieser Stelle bedanken. Denn die Zunahme von antisemitischen Verschwörungstheorien im Zuge der Corona-Pandemie hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Aussagen von Teilnehmer*innen an den sogenannten 4 Jahresbericht 2020 ::: Vorwort

»Querdenken-Demonstrationen«, die den Holocaust leugnen und verharmlosen, sind traurige Realität geworden. Eine demokratische Regierung wird mit dem NS-Regime gleich - gesetzt, Demonstrant*innen setzen sich mit Widerstands- kämpfer*innen im Nationalsozialismus oder Opfern des Holocaust gleich und Rechtsextremisten verbreiten und beleben antisemitische Feindbilder, indem sie sie mit der Corona-Pandemie in Verbindung bringen. Die Zahl der anti - semitischen Straftaten stieg 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent und erreichte den höchsten Wert seit Ein- führung der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität. Diese Entwicklungen sind alarmierend. Denn im Oktober 2020 war auch der erste Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge in Halle. Und im Februar 2020 fand der rassistisch motivierte Amoklauf in Hanau statt. Wie kann man diesen Entwicklungen entgegenwirken? Ein Baustein ist die historisch-politische Bildungsarbeit zum Holocaust und die pädagogische Arbeit im Bereich der Anti- semitismusprävention. 340 Schulen hatten sich mit rund 60.000 Schüler*innen für den Anne Frank Tag 2020 ange - meldet, den jährlich an Anne Franks Geburtstag stattfinden- den Aktionstag gegen Antisemitismus und Rassismus. Wir entwickelten für sie kurzfristig eine digitale Adaption der Plakatausstellung und weitere digitale Lernangebote wie ein Videointerview mit dem jüdischen Widerstandskämpfer und Holocaust-Überlebenden Zvi Aviram. Das Motto des Anne Frank Tags war »Freiheit«. Die Eröffnung fand am 12. Juni als hybride Veranstaltung in der Anne-Frank-Grundschule in Berlin statt, sodass sich bundesweit Schüler*innen zuschalten konnten. semitismus unterstützt Personen, die von Antisemitismus betroffen sind, sowie Akteure aus Bildung, Politik, Ver - waltung und Zivilgesellschaft, die sich gegen Antisemitismus engagieren wollen mit Angeboten der Analyse, Bildung und Beratung. Das Anne Frank Zentrum koordiniert das Netzwerk, das sich aus dem Anne Frank Zentrum, der Bildungsstätte Anne Frank, dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), dem Kompetenz- zentrum für Prävention und Empowerment (ZWST) und der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus – KIgA e. V. zusammensetzt. Zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache: Ich werde im Juni 2021 das Anne Frank Zentrum verlassen, um nach Öster- reich zurückzukehren. Dort werde ich als Geschäftsführer von _erinnern.at_, dem Institut für Holocaust Education des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung tätig sein und mich weiterhin im Themenfeld der historisch- politischen Bildung und Erinnerungsarbeit engagieren. Die Arbeit für das Anne Frank Zentrum hat mich in meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung stark geprägt. Der Verein, seine Arbeit und die Mitarbeiter*innen bedeuten mir viel. Deswegen freue ich mich sehr, dass Veronika Nahm, die bisherige Leiterin der Berliner Aus stellung, die neue Direktorin wird. Ich kann mir keine bessere Nach folgerin vorstellen! Ich wünsche ihr viel Erfolg und werde dem Zentrum als Freund und Kooperationspartner verbunden bleiben. Bitte unter - stützen Sie Veronika Nahm und bleiben Sie mir und dem Anne Frank Zentrum verbunden! Herzlich Ihr Ein weiterer Baustein ist die Vernetzung mit gleichgesinnten Organisationen. Ein solcher Zusammenschluss erfolgte bereits im Januar 2020 mit der Gründung des Kompetenz- netzwerks Antisemitismus. Das Kompetenznetzwerk Anti - Patrick Siegele Direktor des Anne Frank Zentrums, Mai 2021 Jahresbericht 2020 ::: Vorwort 5

F o t o : R u t h e Z u n t z Anne Frank Zentrum Das Anne Frank Zentrum ist die deutsche Partner - organisation des Anne Frank Hauses in Amsterdam. Mit Ausstellungen und Bildungsangeboten erinnert das Zentrum an Anne Frank und ihr Tagebuch. Es schafft Lernorte, in denen sich Kinder und Jugendliche mit Geschichte auseinander setzen und diese mit ihrer heutigen Lebenswelt verbinden. Sie lernen gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich für Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie zu engagieren. Das Anne Frank Zentrum setzt bundesweit Projekte um und entwickelt Materialien zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des National - sozialismus und dem Holocaust sowie mit Anti semitismus, Rassismus und Diskriminierung heute. 2020 konnten coronabedingt zahlreiche Angebote nicht wie in den Vorjahren stattfinden: Die Berliner Aus stellung war ein Drittel des Jahres geschlossen, Wanderausstellungen wurden größtenteils abgesagt oder verschoben. Die meisten Präsenzveranstaltungen wie beispielsweise die Anne Frank Summer School wurden in den digitalen Raum verlegt. Als lernende und flexible Organisation hat das Anne Frank Zentrum neue digitale Lernformate entwickelt, um seine Mission zu verfolgen. Diese ist an Anne Frank zu erinnern, jugendliches Engagement für Demokratie und gegen Diskriminierung zu fördern und Antisemitismus ent - gegenzuwirken. Diese Ziele setzte das Zentrum auch unter den Bedingungen der Pandemie in all seinen Tätigkeits - bereichen um. 6 Jahresbericht 2020 ::: Anne Frank Zentrum

Freund*innen und Unterstützung gesucht! Freundeskreis Das Anne Frank Zentrum ist ein gemeinnütziger Verein. Werden Sie Teil unseres Freundeskreises und setzen Sie ein Zeichen für die Erinnerung und gegen Antisemitismus. Als Mitglied im Freundeskreis informieren wir Sie über unsere Aktivitäten, laden Sie zu unseren Veranstaltungen ein und empfangen Sie gern in unserer Berliner Ausstellung »Alles über Anne«, insofern das coronabedingt möglich ist. Ihr ideeller und materieller Beitrag hilft uns unter anderem dabei, Ausstellungen über Anne Frank auch in kleinen Orten zu präsentieren, Jugendliche zu Peer Guides auszubilden, Gespräche mit Zeitzeug*innen zu organisieren und (Online-) Fortbildungen durchzuführen. Wir danken unseren Freund*innen, die uns zum Teil seit Jahren, zum Teil seit Kurzem zur Seite stehen. Bitte unterstützen auch Sie unsere Arbeit mit Ihrem Jahresbeitrag in Höhe von 60 Euro oder ermäßigt 24 Euro! Das Beitrittsformular finden Sie unter www.annefrank.de/freundeskreis. Sie erhalten es auch nach einem kurzen Anruf unter +49 (0)30 288 86 56 00 per Post. Kontakt: Beatrice Ihoual +49 (0)30 288 86 56 00 ihoual@annefrank.de F o t o : S t e p h a n P r a m m e ANJA SPILLER Freundeskreismitglied und ehemalige Leiterin Kommunikation im Anne Frank Zentrum .............................................................. Die Demokratie ist ein fragiles Gut. Das zeigt sich in der Zeit der Corona-Pandemie besonders eindrücklich, gar beängstigend. Umso wichtiger ist es, Kinder und Jugend - liche zu unterstützen, dieses Gut kennen- und schätzen zu lernen, die Demokratie nicht für selbstverständlich hinzunehmen und sich für ihre Werte einzusetzen. Genau das macht das Anne Frank Zentrum: Es bildet junge Menschen durch den Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und leistet einen wertvollen Beitrag dazu, aus jungen Menschen Demokrat*innen zu machen. Das ist nur einer der Gründe, warum die Arbeit des Anne Frank Zentrums so wichtig ist. Und das ist nur einer der Gründe, weshalb ich den Freundeskreis des Anne Frank Zentrums unterstütze. Jahresbericht 2020 ::: Anne Frank Zentrum 7

F o t o : G r e g o r Z i e l k e Den Shop des Anne Frank Zentrums gibt es online oder in der Berliner Ausstellung Im Shop einkaufen und unterstützen! Wenn Sie in unserem Onlineshop oder im Ausstellungsshop vor Ort einkaufen, unterstützen Sie zugleich unsere Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Im Onlineshop sind die pädagogischen Materialien des Anne Frank Zentrums und des Anne Frank Hauses erhältlich. Das Angebot wird ergänzt durch wichtige Publikationen zur Lebensgeschichte von Anne Frank und der anderen Untergetauchten. Bestellungen lie- fern wir bundesweit aus. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.annefrank.de/onlineshop Bei Fragen erreichen Sie uns telefonisch unter 030 288 86 56 18 und per E-Mail unter shop@annefrank.de. Jede Spende hilft! Das Anne Frank Zentrum setzt sich für eine demokratische und offene Gesellschaft ein. Als ein gemeinnütziger Verein und anerkannter Träger der politischen Bildungsarbeit und der freien Jugendhilfe benötigen wir dafür Ihre Unter - stützung. Fördern Sie bitte unsere Arbeit! Sie können ganz einfach per Überweisung spenden oder Sie nutzen die Möglichkeit zum Online-Spenden unter www.annefrank.de/spenden. Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung! Spendenkonto IBAN: DE76 1002 0500 0003 2995 05 BIC: BFSWDE33BER Bank für Sozialwirtschaft Bei Beträgen bis 200 Euro gilt der Kontoauszug als Spenden- bescheinigung gegenüber dem Finanzamt. Bei Beträgen über 200 Euro stellen wir Ihnen gerne eine separate Spenden - bescheinigung aus. Das Anne Frank Zentrum ist Mitglied der Initiative Transparente Zivilgesellschaft. 8 Jahresbericht 2020 ::: Anne Frank Zentrum

Highlights aus dem Shop ó Alles über Anne (ab 10 Jahre) In diesem Buch werden die häufigsten Fragen zu Anne Frank, zum Nationalsozialismus, zur Judenverfolgung und zum Zweiten Weltkrieg beantwortet. Mehr als hundert Fotos und wunderbare Illustrationen, die Huck Scarry eigens für dieses Buch geschaffen hat, vermitteln ein eindrucksvolles Bild von Annes Leben, ihrem Tagebuch und dem Hinterhaus. ó Anne Frank Haus. Ein historischer Modellbaubogen (ab 9 Jahre) Im Hinterhaus der Prinsengracht 263 in Amsterdam hat sich Anne Frank gemeinsam mit ihren Eltern, ihrer Schwester und vier anderen Jüdinnen und Juden mehr als zwei Jahre ver- steckt. Wie ist das Vorderhaus mit dem Hinterhaus ver - bunden? Wo befand sich der Betrieb von Anne Franks Vater? Wo genau hielten sich die Untergetauchten versteckt? Und von welchem Fenster aus konnte Anne Frank den Kastanien- baum sehen? Antworten auf diese und andere Fragen erhält man beim Zusammenbau des historischen Bausatzes der Prinsengracht 263. Eine Broschüre mit Bauanleitungen und Hintergrundinformationen liegt bei. ó Anne Frank im Hinterhaus. Wer war wer? (ab 14 Jahre) Das Buch skizziert 13 persönliche Porträts über die Menschen, die wir dank Anne Franks Tagebuch nie vergessen werden. Wie sah der Tagesablauf der Untergetauchten aus? Was aßen sie, wie gingen sie miteinander um? Wie konnten die Helfer*innen neben ihrer Büroarbeit acht Menschen mit Lebensmitteln versorgen? Blieben sie nach dem Krieg mitein- ander in Kontakt? Neben diesen Hauptpersonen waren auch Lagerarbeiter*innen, Lieferant*innen und Firmen ver - treter*innen im und rund um das Haus Prinsengracht 263 tätig. Ihre Rolle wird hier zum ersten Mal dargestellt. ó Nicht in die Schultüte gelegt. Schicksale jüdischer Kinder 1933-1942 in Berlin (ab 10 Jahre) Das Lernmaterial bietet einen Einstieg in das Thema National- sozialismus für Kinder ab Klasse 4. Es basiert auf Alltags - geschichten und Fotos von sieben Schülerinnen und Schülern, die von den Nationalsozialisten als Jüdinnen*Juden verfolgt wurden. Im Mittelpunkt steht das normale Alltags - leben, das von den Nationalsozialisten nach und nach zer- stört wurde. Die historischen Beispiele von Diskriminierung und Verlust werden mit den entsprechenden Artikeln der UN-Kinderrechtskonvention zusammengebracht und erhalten so einen Gegenwartsbezug. Eine pädagogische Handreichung ergänzt das Material. Jahresbericht 2020 ::: Anne Frank Zentrum 9

Das Jahr 2020 in Zahlen Im Zuge unserer 5-Jahres-Strategie hatten wir uns Ziele gesetzt, die wir bis 2020 erreichen wollten. 2020 konnten wir folgende Zahlen umsetzen. 160 Peer Guides haben in 9 Anne Frank Wanderausstellungs - projekten Kinder und Jugendliche begleitet. 6.700 Besucher*innen kamen in unsere bundesweiten Wanderausstellungen, davon 4.800 Kinder und Jugendliche. 75 Mitglieder umfasst der Freundeskreis des Anne Frank Zentrums. 11.176 Menschen haben die ständige Ausstellung in Berlin vor Ort besucht, davon 2275 im Rahmen von pädagogischen Programmen. Mit über 70 Veranstaltungen haben wir zum Fach- und Erfahrungsaustausch sowie zur nationalen wie internationalen Vernetzung beigetragen. Davon waren 25 Präsenzveranstaltungen. 42 Veranstaltungen wurden digital und 3 Veranstaltungen hybrid umgesetzt. 31 Anne Frank Botschafter*innen haben 9 lokale Projekte umgesetzt und damit mehr als 2500 Menschen vor Ort erreicht. Rund 60.000 Schüler*innen engagierten sich zum Anne Frank Tag für jugendliches Engagement und gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung. Mehr als 900 Jugendliche umfasst das internationale Jugendnetzwerk. Sie setzen sich von Argentinien über die USA bis Großbritannien und die Niederlande für Freiheit, Demokratie und Gleichberechtigung ein. 10 Jahresbericht 2020 ::: Anne Frank Zentrum

Wichtige Termine 2020 15. mai Digitaler Aktionstag gegen Verschwörungs- mythen und Antisemitismus in Kooperation mit der Amadeu Antonio Stiftung 23. jan Neujahrsempfang des Freundes- kreises mit Filmvorführung und Gespräch mit Petra und Franz Michalski 27. jan Projektpräsentation zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und den National- sozialismus in Lößnitz 16. jun Start der Online-Seminarreihe »Weiterleben nach der Shoah« in Kooperation mit Yad Vashem 12. jun Eröffnung des Anne Frank Tages als hybride Veranstaltung mit Live-Übertragung 30. jun Pressekonferenz zum Launch der Webseite des Kompetenznetz- werks Antisemitismus 27. jul Internationale Summer School »Nobody need wait a single moment before starting to improve the world« 16.-17. sep Digitale Tagung »Antisemitismus und Rechtsextremismus: Angriffe auf die Demokratie« 18. sep Ehrung der Anne Frank Botschafter*innen mit Live-Stream 24.-25. sep Vernetzungstreffen »Vielfalt gestalten. Erinnerungsprojekte und zivilgesellschaftliches Engagement im ländlichen Raum« digital und vor Ort für Multiplikator*innen 6. okt Digitales Fachforum »Lokal engagiert im ländlichen Raum« mit der Bundeszentrale für politische Bildung 9. OKT - 9. NOV Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus 31. okt Anne Frank Botschafter*innen Ver - netzungs treffen »Liebe Kitty: Anne Franks Leben. Eine Theaterinszenierung« mit dem Jungen Schauspiel Düsseldorf 6. nov Bundesweiter Fachtag »Prävention von Antisemitis- mus im Strafvollzug« in Kooperation mit der Hochschule Merseburg als Online-Veranstaltung 6. dez Erster digitaler Ausstellungs- rundgang für blinde Menschen Jahresbericht 2020 ::: Anne Frank Zentrum 11

F o t o : R u t h e Z u n t z Das Kompetenznetzwerk Antisemitismus Seit Januar 2020 ist das Anne Frank Zentrum Koordinierungs- stelle des Kompetenznetzwerks Antisemitismus, das durch das Bundesprogramm »Demokratie leben!« des Bundes - ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Das Kompetenznetzwerk Antisemitismus bilden fünf Institutionen mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Antisemitismusprävention, der antisemitismus- kritischen Bildungsarbeit, der Beratung sowie der Dokumen- tation und Analyse antisemitischer Vorfälle: Das Anne Frank Zentrum, die Bildungsstätte Anne Frank, der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment (ZWST) und die Kreuzberger Initiative gegen Anti semitismus – KIgA e. V. bündeln ihre Angebote und entwickeln sie durch Zusammenarbeit und Wissenstransfer weiter. Sie stellen ihre Expertise für die Bereiche (schulische) Bildung, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zur Ver - fügung. Im Rahmen von gemeinsamen Aktivitäten, wie etwa Tagungen, schaffen die Netzwerk partner*innen Synergien. Die Angebote des Netzwerks finden sich auf der Webseite www. kompetenznetzwerk- antisemitismus.de. 12 Jahresbericht 2020 ::: Das Kompetenznetzwerk Antisemitismus

Wer macht was im Kompetenznetzwerk Antisemitismus? Anne Frank Zentrum e. V. Schwerpunkte der Arbeit des Anne Frank Zentrums im Kompetenznetzwerk sind Angebote der historisch- politischen Bildung zum Nationalsozialismus und Holocaust für Erwachsene und Multiplikator*innen sowie das Thema der Jugendbeteiligung und die Arbeit im ländlichen Raum. Die Beschäftigung mit historischen Formen des Antisemitis- mus sowie mit Kontinuitäten von antisemitischen Stereo - typen, Feindbildern und Ideologien ist dabei die Grundlage für eine wirksame Auseinandersetzung mit aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus. Bildungsstätte Anne Frank e. V. Der Angebotsschwerpunkt der Bildungsstätte Anne Frank liegt auf der Analyse von und der Bildung und Beratung zu Antisemitismus von Akteur*innen im linken Spektrum, im Rechtspopulismus und in sozialen Netzwerken. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Entwicklung und Verbreitung von digitalen Vermittlungsformaten in der antisemitismus - kritischen Bildungsarbeit. KIgA e. V. – Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus Die KIgA bietet Fort- und Weiterbildung sowie Beratung für Erwachsene und Jugendliche zu Antisemitismus, anti - muslimischem Rassismus, jüdisch-muslimischem Dialog, Nahostkonflikt und Radikalisierungsprävention an. Darüber hinaus setzt die KIgA Angebote der nationalen und inter - nationalen Vernetzung im Themenfeld um. Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment e. V. (ZWST) Schwerpunkt des Trägers im Kompetenznetzwerk Anti - semitismus sind Qualifizierungsformate für Fach- und Führungskräfte aus Bildung, Verwaltung und Politik sowie Zivilgesellschaft im Themenfeld Antisemitismus. Zudem sollen Praxisstudien das pädagogische Handeln im Umgang mit Antisemitismus empirisch fundieren. RIAS Bundesverband der Recherche- und Informationsstel- len Antisemitismus e. V. Der Bundesverband RIAS e. V. initiiert und unterstützt den Aufbau regionaler Melde- und Unterstützungsnetzwerke und bildet sich neu gründende zivilgesellschaftliche Projekte fort, deren Hauptzweck die zivilgesellschaftliche Erfassung anti- semitischer Vorfälle ist. Der Bundesverband RIAS e. V. bereitet themenbezogene Expertisen und Analysen für die Bearbeitung in der präventiv-pädagogischen Arbeit auf. Kontakt: Koordinierungsstelle des Kompetenznetzwerks Antisemitismus kompetenznetzwerk@annefrank.de Jahresbericht 2020 ::: Das Kompetenznetzwerk Antisemitismus 13

Links: Im Jahr 2020 haben ver- schiedene Online-Fortbildungen zum Thema »Antisemitismus – Geschichte und Aktualität« stattgefunden Rechts: Die Handreichung »Anti- semitismus – Geschichte und Aktualität« bietet Ansatzpunkte zum Umgang mit Antisemitismus in der eigenen pädagogischen Arbeit Fortbildung und Handreichung »Antisemitismus – Geschichte und Aktualität« für pädagogische Fachkräfte und Multiplikator*innen Antisemitische Verschwörungserzählungen, aber auch anti- semitische Angriffe im digitalen Raum und auf der Straße haben im Zuge der Corona-Pandemie eine neue Brisanz erreicht. Daran zeigt sich der große Bedarf an Bildungsan - geboten. Aufgrund der geltenden Kontaktbeschränkungen hat das Anne Frank Zentrum seine Angebote im Bereich der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit im Jahr 2020 vor allem in den digitalen Raum verlegt. Die Online-Fortbildung »Antisemitismus – Geschichte und Aktualität« richtete sich an Multiplikator*innen, die sich intensiver mit unterschiedlichen Erscheinungsformen und Funktionen von Antisemitismus auseinandersetzen möchten. Im Laufe des Jahres diskutierten fast 150 Teilnehmende, warum sich anti semitische Stereotype trotz der weitgehen- den gesellschaft lichen Ächtung von Antisemitismus so hart- näckig halten, welche Erfahrungen jüdische Menschen heute in Deutschland machen oder wie man reagieren kann, wenn »Du Jude« auf dem Schulhof als Schimpfwort genutzt wird. Begleitend zur Fortbildung hat das Anne Frank Zentrum die Handreichung »Antisemitismus – Geschichte und Aktualität« erstellt. Die Handreichung richtet sich an pädagogische Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Bildung und andere Multiplikator*innen, die sich selbst zum Themen- feld Antisemitismus weiterbilden und Ansatzpunkte für die eigene pädagogische Praxis erhalten möchten. Auf 36 Seiten gibt die Handreichung einen gut strukturierten Überblick über das Themenfeld Antisemitismus mit vielen konkreten Beispielen, Illustrationen und Tipps zur Prävention von und zum Umgang mit Antisemitismus. Ziel ist es, zur Selbst - reflexion anzuregen sowie Wissen und eine klare Haltung zu vermitteln, die für Engagement gegen Antisemitismus erfor- derlich sind. Die Handreichung kann im Onlineshop des Anne Frank Zentrums bestellt werden und steht kostenfrei zum Down- load zur Verfügung. Kontakt: Jana Rosenfeld +49 (0)30 288 86 56 19 rosenfeld@annefrank.de 14 Jahresbericht 2020 ::: Das Kompetenznetzwerk Antisemitismus

Digitale Tagung »Antisemitismus und Rechts - extremismus: Angriffe auf die Demokratie« Die rassistischen Morde im hessischen Hanau im Februar 2020, der Anschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale im Oktober 2019 sowie die verschwörungs ideologischen »Hygiene-Demos« gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben einmal mehr deutlich gemacht, welche Gefahr Antisemitismus und Rechts terrorismus für das demokratische Zusammenleben in der Bundesrepublik dar- stellen. Die Kompetenznetzwerke Anti semitismus und Rechtsextremismus, die durch das Bundes programm »Demokratie leben!« des Bundes ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert werden, veran - stalteten daher am 16. und 17. September 2020 eine gemein- same digitale Tagung zum Thema »Antisemitismus und Rechtsextremismus: Angriffe auf die Demokratie«. Ziel der Tagung war es, neben einer Analyse aktueller rechts extremer antisemitischer Ent wicklungen und Bewegungen gemeinsam mit Fachkräften aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Ver waltung Ansatzpunkte der Prävention und Beratung zu diskutieren. Das Anne Frank Zentrum war mit einem Work- shop gemeinsam mit der Fachstelle Rechts extremismus und Familie des LidiceHaus in Bremen zum Thema »Prävention von Antisemitismus und Rechts extremismus? Strategien und Ansatzpunkte der Bildung und Beratung« auf der Tagung ver- treten. Die Impulsvorträge der Tagung sind auf dem Youtube- Kanal der Bildungsstätte Anne Frank verfügbar. © B M I FELIX KLEIN Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus .............................................................. Die Gründung des vom Anne Frank Zentrum koordinierten Kompetenznetzwerks Anti - semitismus ist ein bedeutsamer Schritt für die Antisemitismusbekämpfung. Mit dem Kompetenznetzwerk wird zum ersten Mal die Erhebung von Daten zu judenfeindlichen Vorfällen direkt und institutionell mit der Entwicklung von Präventionsansätzen ver- knüpft. Als Schirmherr des Bundesverbands RIAS bin ich sehr froh darüber, dass das Wissen, das in den Bundesländern durch die Meldestellen generiert wird, ganz konkret angewandt wird. Die fünf Organisationen, die sich zum Kompetenz- netzwerk Antisemitismus zusammen - geschlossen haben, sind zudem etablierte und geachtete Akteure in der Prävention und der Bekämpfung von Judenfeindschaft mit jahrelanger Erfahrung in diesem Feld. 15 15

F o t o : G r e g o r Z i e l k e Ausstellung Berlin Seit November 2018 präsentiert das Anne Frank Zentrum in Berlin die ständige Ausstellung »Alles über Anne«. Die Aus- stellung erzählt die Lebensgeschichte von Anne Frank und ist ein Lernort zur Geschichte des Nationalsozialismus. »Alles über Anne« zeigt, warum Anne Franks Tagebuch so berühmt ist und dass Annes Gedanken heute noch aktuell sind. Die Ausstellung ist biografisch, interaktiv und inklusiv. Die Besucher*innen lernen Annes Geschichte kennen und suchen Verbindungen zu ihrer eigenen Lebenswelt und der Gegenwart. An ver schiedenen Stationen gibt es Möglich - keiten, die Ausstellung zu verändern und mit eigenen Bei - trägen zu erweitern. Alle Menschen sollen die Ausstellung besuchen und ver - stehen können. Für Kinder, Jugendliche und Familien ist sie gut zugänglich. Die Ausstellung besteht aus zwei Teilen. Der historische Teil widmet sich Annes Lebensgeschichte und dem historischen Kontext. Im aktuellen Teil werden Gegenwartsbezüge her - gestellt. Es geht um die Bedeutung von Annes Tagebuch heute, Fragen von Identität und Diversität, Formen von Anti- semitismus in der Gegenwart und Beispiele für die Erinnerungskultur. 16 Jahresbericht 2020 ::: Ausstellung Berlin

Das Ausstellungsjahr 2020 im Überblick ALLES ÜBER ANNE Eigenschaften: biografisch, interaktiv, inklusiv, ab 10 Jahren, für Familien Anzahl der Besucher*innen seit der Eröffnung am 19.11.2018 bis 31.12.2020: 54.582 Anzahl der Besucher*innen 2020: 11.176 Besucher*innenrückgang zum Vorjahr: 71 Prozent Nach vielversprechenden Besucher*innenzahlen im Februar musste die Ausstellung aufgrund des Ausbruchs der Corona- Pandemie vom 12. März bis zum 11. Mai 2020 schließen . Im Verlauf des Jahres blieb die Ausstellung in mehreren Phasen für insgesamt ein Drittel des Jahres geschlossen. Zwischen - zeitlich wurde aufgrund der Hygiene- und Sicherheitsmaß- nahmen zur Eindämmung der Pandemie eine maximale Besucher*innenzahl festgelegt. Beide Faktoren führten zu einem starken Rückgang der Gesamtbesuchszahl: 2020 kamen rund 71 Prozent weniger Einzelbesucher*innen, 70 Prozent weniger Teilnehmer*innen in Gruppen und 90 Prozent weniger Veranstaltungsbesucher*innen als 2019. Insgesamt besuchten nur 11.176 Personen die Ausstellung vor Ort. Das ist ein Rückgang von beinahe 27.500 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Aufgrund der Reisebeschränkungen waren weniger Berlin-Besucher* innen in der Stadt und der Aus- stellung. So wurden Rabatt angebote wie die Berlin Welcome Card oder der Museums pass Berlin erheblich weniger genutzt. Das Anne Frank Zentrum nutzte die unfreiwilligen Schließzeiten um neue, digitale Angebote sowie digitale Workshops und Führungen zu entwickeln und anzubieten. Kontakt: Veronika Nahm nahm@annefrank.de +49 (0)30 288 86 56 13 CANA DURMUSOGLU .............................................................. Ich arbeite seit Anfang 2020 als freie Mit - arbeiterin im Anne Frank Zentrum und begleite Schulklassen durch die Daueraus- stellung. Nach einem sehr schönen Start wurde meine Arbeit durch die Corona- Pandemie ab dem Frühjahr ausgebremst. In meiner ersten »normalen« Begleitung zu Beginn des Jahres war ich begeistert davon, wie interessiert und diskussionsfreudig die Kinder und Jugend lichen die Inhalte der Ausstellung auf nahmen. Durch digitale Fortbildungen und Monatstreffen mit den anderen freien Mit arbeiter*innen, alternative Angebote wie Cicerone- Begleitungen für Einzel besucher*innen im Sommer und digitale Ausstellungs begleitungen bin ich mit dem Anne Frank Zentrum in Verbindung geblieben. Durch meine analogen und digitalen Ausstellungsbegleitungen weiß ich, wie wichtig Gesprächsangebote sind, wie sie das Anne Frank Zentrum schafft. Ich freue mich auf viele weitere, hoffentlich bald auch wieder vor Ort stattfindende Begleitungen im Anne Frank Zentrum! Jahresbericht 2020 ::: Ausstellung Berlin 17

Verteilung Jugend- und Erwachsenengruppen 2020 Herkunft der Gruppen 2020 183 74 257 Erwachsenengruppen Jugendgruppen 155 78 insgesamt 15 Berlin andere Bundesländer international 183 Angebote vor Ort in »Alles über Anne« Das Anne Frank Zentrum bietet Ausstellungsbegleitungen, Projekttage und Workshops für Schulklassen und Jugend- gruppen an. Dabei wird mit dem Peer Guide-Konzept gearbeitet: Die Begleitungen werden von Jugend lichen und jungen Erwachsenen durchgeführt und so ein Austausch auf Augenhöhe ermöglicht. Das Ziel ist, dass die Schüler*innen die Ausstellung gemeinsam entdecken und sich die Lebens- geschichte von Anne Frank und ihre Bedeutung heute selbst erschließen. Es gibt vielfältige Angebote für verschiedene Klassenstufen, aber auch für Erwachsenengruppen und pädagogische Fachkräfte. Von Mai bis Oktober war eine Öffnung der Ausstellung mög- lich. In diesem Zeitraum konnten pädagogische Angebote jedoch nur in kleinen Gruppen angeboten werden, um die coronabedingten Abstandsregeln einzuhalten. Schulklassen mussten auf verschiedene Termine aufgeteilt werden. Für alle Interessierten waren von Mai bis Juni an vier Tagen der Woche freie Mitarbeiter*innen vor Ort. Sie beantworteten Fragen zur Ausstellung. Stadtspaziergänge zu jüdischem Leben in Berlin waren in diesen Monaten weiterhin buchbar. F o t o : M a n d y K ö t z e r l 18

F o t o : G r e g o r Z i e l k e Insgesamt gab es 2020 einen deutlichen Rückgang der Teil- nehmenden an den pädagogischen Programmen: Es wurden 257 Gruppenprogramme durchgeführt. Das sind 471 weniger als im Jahr 2019. Kontakt: Anka Jahneke +49 (0)30 288 86 56 10 jahneke@annefrank.de »Während meines Studienaufenthalts in den USA wurde ich häufig mit Fragen zum Nationalsozialismus konfrontiert – Anne Franks Tagebuch wurde hierbei zusammen mit Art Spiegelmans ›Maus‹ zur gemein - samen Basis für den offenen Diskurs! Danke für die gute Aufarbeitung, die über das Tagebuch weit hinaus geht.« (Besucher*innen-Kommentar auf einem Kastanienblatt) »Gelungene Aufarbeitung. Man wird viel dazu angeregt, sich eigene Gedanken zu machen und erfährt durch Interviews und aktuelle Bezüge viel Neues, auch wenn man das Buch schon gelesen hat.« 24.07.2020 (Besucher*innen- Kommentar im Gästebuch) © V d K / S u s i e K n o l l VERENA MONIKA BENTELE Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland .............................................................. Ein Highlight des Jahres 2020 war für mich der Besuch der barrierefreien Ausstellung im Anne Frank Zentrum. Die Ausstellung hat mich deshalb so fasziniert, da sie einerseits das Leben der Anne Frank unglaublich facettenreich, mit vielen Fakten und emotionalen Details darstellt. Andererseits wird in der Ausstellung ein sehr hoher Standard der Barrierefreiheit angewandt: Von Bodenleitsystemen, über Tast-Objekte hin zu Audiodeskriptionen und Führungen mit Gebärdensprach-Dolmetscher*innen. Die Texte sind in klarer Sprache verfasst, sodass sie gut verständlich und zugänglich sind. Die Ausstellung ist ein »Muss« für alle: Erwachsene und Kinder, für Menschen, die sich für Geschichte interessieren, oder für die, die einen Zugang finden wollen. Sie ist sehr gut zugänglich und verständlich für Menschen mit und ohne Behinderung. Sie ist geeignet für »Anne Frank-Expert*innen« und Neugierige. Jahresbericht 2020 ::: Ausstellung Berlin 19

F o t o : G r e g o r Z i e l k e F o t o : G r e g o r Z i e l k e Digitale Angebote und Materialien Als Reaktion auf die Corona-Pandemie hat das Anne Frank Zentrum vielfältige digitale Angebote und Materialien ent- wickelt. Dazu zählen Videos, in denen zwei Peer Guides die Ausstellung »Alles über Anne« vorstellen, mit zusätzlichen Arbeitsaufträgen in Form von interaktiven, barrierefreien PDFs. Auch das Video einer Führung durch die Ausstellung, die in Deutsche Gebärdensprache und International Sign Language übersetzt wurde, gehört dazu. Es entstand außer- dem ein dreiminütiger Film, der die Berliner Aus stellung vor- stellt. Es wurden digitale Ausstellungsrundgänge für Kinder und Jugendliche entwickelt, die seit November angeboten wurden. Aus verschiedenen Gründen war es vielen Gruppen anfänglich leider nicht möglich, den Besuch in den digitalen Raum zu verlegen, wie es aus den Zitaten auf dieser Seite hervorgeht. Vielen Dank für das Angebot. Leider ist es uns nicht möglich an einer Online-Variante teilzunehmen, da unsere Einrichtung nicht über das notwendige Equipment verfügt. Könnten wir unsere Präsenz- Führung verschieben? Das wäre prima! (Sozial - arbeiterin in einer Jugendeinrichtung) Vielen lieben Dank erst einmal für Ihre Antwor t und Ihr tolles Angebot. Leider ist das Angebot für uns nicht umsetzbar, da wir kein einziges Smar tboard an der Schule haben. Vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre Rückmeldung! (Lehrkraft, Klasse 8) Herzlichen Dank für Ihr Angebot. Die Kinder arbeiten von zu Hause und sind sehr intensiv mit dem Arbeiten beschäftigt, sitzen viel am Computer, viel zu viel ... Ich würde ein Treffen lieber auf eine Zeit verschieben, in der es wieder möglich ist, einen Workshop bei Ihnen, in Präsenz zu machen, vielleicht im späteren Frühjahr. (Grundschullehrkraft) 20 Jahresbericht 2020 ::: Ausstellung Berlin

F o t o : G r e g o r Z i e l k e F o t o : G r e g o r Z i e l k e F o t o : M a n d y K ö t z e r l Eine Herausforderung bei digitalen Ausstellungs - begleitungen ist die Frage »Wie gestaltet man barrierefreie, digitale Angebote?« Neben den digitalen Angeboten für Schulklassen bot das Anne Frank Zentrum auch vier virtuelle Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen bzw. in Leichter Sprache an. Dabei lernten die Teilnehmenden die Berliner Ausstellung »Alles über Anne« kennen. Es wurden die Inhalte der Aus- stellung und die Hintergründe der Ausstellungsgestaltung erläutert. Kontakt: Giulia Tonelli +49 (0)30 288 86 56 16 tonelli@annefrank.de Jahresbericht 2020 ::: Ausstellung Berlin 21

F o t o : S a m i r a S c h u l z Wanderausstellungen Das Anne Frank Zentrum setzt bundesweit Wander aus - stellungen zur Geschichte Anne Franks und des National sozialismus um, die auch aktuelle Formen von Anti semitis mus und Diskriminierung thematisieren. Die Wanderausstellungen richten sich explizit an Jugend - liche, die zu sogenannten »Peer Guides« – das heißt Aus stellungsbegleiter*innen – ausgebildet werden, sowie an die Wanderausstellungsbesucher*innen. Die Corona-Pandemie stellte eine große Herausforderung für die historisch-politische Bildungsarbeit mit den Wander ausstellungen dar. Geplant waren bundesweit 14 Präsentationen der Ausstellung »Deine Anne. Ein 22 Jahresbericht 2020 ::: Wanderausstellungen Mädchen schreibt Geschichte« sowie acht Präsentationen der Ausstellung »›Lasst mich ich selbst sein‹. Anne Franks Lebens geschichte« in Justizvollzugsanstalten, Schulen und außerschulischen Einrichtungen. Viele der Projekte mussten ins kommende Jahr verschoben werden. Trotz der parallel stattfindenden Entwicklung von digitalen Bildungsangeboten wurde deutlich, dass sich Peer Education und die Ausbildung von jugendlichen Guides nicht in den digitalen Raum ver legen lässt. Die Arbeit mit der Wanderausstellung und die Begegnung und der gemeinsame Austausch sind dafür zu zentral.

Die Wanderausstellungen im Überblick »DEINE ANNE. EIN MÄDCHEN SCHREIBT GESCHICHTE« Kurzbeschreibung: – multimediale Ausstellung – Angebot der historisch- politischen Bildung – Arbeit mit dem Ansatz der Peer Education – Die Aus stellung tourt seit 2012 durch Deutschland. Zielgruppe(n): Jugendliche ab 15 Jahren als Peer Guides und Besucher*innen sowie erwachsene Besucher*innen Anzahl der Präsentationen: 4 Präsentationen im Jahr 2020 »LESEN UND SCHREIBEN MIT ANNE FRANK« Kurzbeschreibung: – modulare Ausstellung – Angebot des historischen Lernens und der Förderung von Lese- und Schreibkompetenzen – Die Ausstellung tourt seit 2015 durch Deutschland. Zielgruppe: Kinder im Grundschulalter ab 9 Jahren und älter Anzahl der Präsentationen: 0 Präsentationen im Jahr 2020 »›LASST MICH ICH SELBST SEIN.‹ ANNE FRANKS LEBENSGESCHICHTE« Kurzbeschreibung: – Bannerausstellung – Angebot der historisch-politischen Bildung – Arbeit mit dem Ansatz der Peer Education – Jugendliche begleiten Jugendliche – Ausstellung tourt seit 2015 durch Deutschland und ins besondere Justizvollzugsanstalten. Zielgruppe(n): Jugendliche ab 15 Jahren sowie (junge) Menschen in Haft als Peer Guides sowie Besucher*innen und erwachsene Besucher*innen Anzahl der Präsentationen: 5 Präsentationen im Jahr 2020, 3 davon in Justizvollzugsanstalten* * Die Ausstellungen im Strafvollzug sind gefördert durch die Bundeszen trale für politische Bildung. Reinbek Prenzlau JSA Berlin Hannover Cottbus JVA Geldern Wuppertal Mannheim JVA Adelsheim Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte »Lasst mich ich selbst sein.« Anne Franks Lebens - geschichte Kontakt: Franziska Göpner +49 (0)30 288 86 56 28 goepner@annefrank.de Jahresbericht 2020 ::: Wanderausstellungen 23

F o t o : K a t j a H a r b i Beim Vernetzungstreffen kamen Multiplikator*innen der historisch- politischen Bildung aus unterschiedlichen Regionen der Bundes republik zusammen Vernetzungstreffen für Multiplikator*innen: »Vielfalt gestalten. Erinnerungsprojekte und zivilgesellschaftliches Engagement im ländlichen Raum« Das Anne Frank Zentrum hat am 24. und 25. September 2020 ein Vernetzungstreffen für Multiplikator*innen der historisch- politischen Bildung als hybrides Format umgesetzt. Es haben 18 Teilnehmer*innen vor Ort in Leipzig und etwa 40 Teil - nehmer*innen digital teilgenommen. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit Gegen Vergessen – Für Demokratie statt und war gleichzeitig der Abschluss des Projekts »1939.2019 – Vielfalt lokaler Erinnerungen«, das vom Anne Frank Zentrum in Kooperation mit lokalen Partner*innen umgesetzt wurde. Regionen als Problemfelder gerichtet, ins besondere in Ost- deutschland. Im Rahmen der Impuls vorträge und Workshops diskutierten die Teilnehmer*innen, welchen Einfluss die strukturellen Bedingungen des ländlichen Raums auf die Umsetzung von Projekten der historisch- politischen Bildung haben und wie auf besondere Bedarfe vor Ort reagiert werden kann. Am Beispiel der vorgestellten Projekte und Ansätze im Rahmen der Workshops, aber auch der konkreten Erfahrungen der Teilnehmenden wurde deutlich, dass der ländliche Raum keineswegs eine vom rechten Rand beherrschte Defizit gesellschaft ist. Auch in ländlichen Regionen werden Demokratie und gesellschaft liche Vielfalt aktiv gestaltet. Das Vernetzungstreffen hat dazu beige - tragen, Menschen in den Austausch zu bringen und bei- spielsweise neue, auch digitale Ansätze der Ver mittlung kennenzulernen. Inhaltlicher Schwerpunkt war die Frage, welche Heraus - forderungen, Bedarfe, aber auch Möglichkeiten zivilgesell- schaftlichen Engagements im ländlichen Raum vorhanden sind. Denn in der Auseinandersetzung mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung und einem erstarkenden Rechtspopulismus wird der Blick häufig auf die ländlichen Das Vernetzungstreffen wurde gefördert durch das Bundes- programm »Demokratie leben!« des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und im Rahmen des Bundesprogramms »Zusammenhalt durch Teilhabe« des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. 24 Jahresbericht 2020 ::: Wanderausstellungen

© M a r t i n A u g s b u r g e r / S t a d t A u g s b u r g »DEINE ANNE. EIN MÄDCHEN SCHREIBT GESCHICHTE« FÜR AUGSBURG Interview mit der Augsburger Bürger - meisterin und Referentin für Bildung und Migration Martina Wild ...................................................................... Warum hat sich die Stadt Augsburg ent- schieden, die Wanderausstellung »Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte« nach Augsburg zu holen? Die Anregung entstand durch den Besuch von Schüler*innen zweier Augsburger Gymnasien im Anne Frank Haus in Amster- dam im Rahmen des Erasmus-Projekts »Owning the Future«. Die Initiative kam von einigen in diesem Projekt engagierten Lehrer*innen und die Stadt hat sich im Sommer 2019 entschieden, die Wanderaus- stellung des Anne Frank Zentrums nach Augsburg zu holen. Der Ort, an dem diese hier gezeigt werden soll, ist die »Halle 116«. Sie stellt einen lokalgeschichtlichen Bezug her. In dem ehemaligen Kasernengebäude befand sich in den letzten Kriegsjahren ein Außenlager des KZ Dachau, in dem Tausende Häftlinge unter menschenun würdigen Bedingungen untergebracht waren und Zwangsarbeit vor allem für die Augsburger Messerschmitt AG leisten mussten. Die Stadt Augsburg hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses dunkle Kapitel der Stadtgeschichte nicht zu verschweigen und in dieser Halle einen Erinnerungs- und Lernort einzurichten. Wer ist an dem Projekt beteiligt? Organisiert und vorbereitet wurde die Aus- stellung gemeinsam von der Fachstelle für Erinnerungskultur und dem Referat für Bildung und Migration. Geplant ist ein umfangreiches Begleitprogramm für Schul- klassen, aber auch für alle interessierten Bürger*innen, an dem sich u. a. mehrere Schulen, eine Reihe von Autor*innen und Musiker*innen, das Augsburger Kinodrei- eck, das Junge Theater Augsburg, das Jüdische Museum, die Stadtbücherei sowie das Augsburger Friedensfest als wichtige Kooperationspartner beteiligen wollen. Welche Herausforderungen zeigen sich für die Anne Frank Wanderausstellung in Zeiten von Corona? Zwei Anläufe haben wir im Mai und November 2020 für die Durchführung der Ausstellung trotz der Einschränkungen unternommen. Wir hatten im Vorfeld ein detailliertes Hygienekonzept ausgearbeitet – sowohl für die einzelnen Veranstaltungen als auch für die Klassenbesuche in der Aus- stellung. Dennoch haben die Entwicklung der Pandemie und die damit verbundenen rechtlichen Vorgaben die Durchführung nicht erlaubt. Das Kernelement der Aus - stellungskonzeption, das Peer Guide Konzept, wäre damit nicht realisierbar gewesen. Wie wird das Projekt weiter geplant? Wir haben uns wegen der anhaltenden Pandemie-Situation und einer besseren Planbarkeit dafür entschieden, die Aus - stellung in den Sommer 2022 zu verlegen. Wir werden die bewährten Kooperations- partner*innen auch weiterhin im Boot haben und das Begleitprogramm mit neuen Veranstaltungen bereichern. Gültig bleibt auch die Motivation – in der Friedensstadt Augsburg ein Zeichen zu setzen gegen den wachsenden Antisemitismus. Wir freuen uns daher auf ein wichtiges gemeinsames Projekt mit dem Anne Frank Zentrum! Jahresbericht 2020 ::: Wanderausstellungen 25

© J V A G e l d e r n , F o t o : N a l d a A l a g i c MICHAEL STEPHAN HOFFMANN Inhaftierter der JVA Geldern und Peer Guide der Ausstellung .............................................................. Es war mir eine Herzensangelegenheit, als Peer Guide meine eigenen Lebenser - fahrungen als Jude den Mitgefangenen und Bediensteten mitzuteilen und sie über die grausamen Umstände von damals sowie die mitunter schwierigen Umstände von heute aufzuklären. Ich machte viele positive, aber auch negative Erfahrungen: Von einigen Mitgefangenen gab es den Generalvorwurf »Was macht ihr Juden in Israel?« Ein Bediensteter versuchte die Erschießung von KZ-Insassen zu rechtfertigen: »Befehl war Befehl und vorbeischießen ging nicht.« Sein Großvater war damals daran beteiligt. Die positiven Erfahrungen überwogen jedoch: Ich erlebte großes Interesse an der Aus stellung und Einfühlungsvermögen den Opfern gegenüber. Ich würde solche Projekte jederzeit wieder unterstützen. 26 Jahresbericht 2020 ::: Wanderausstellungen Ausstellungsprojekte in Justiz voll zugs anstalten Trotz der Pandemie hat das Anne Frank Zentrum drei Aus - stellungen in Justizvollzugsanstalten gezeigt: in der JVA Geldern (Nordrhein-Westfalen), der JVA Adelsheim (Baden- Württemberg) und der JSA Berlin. Aufgrund von Kontakt - beschränkungen wurde die Ausbildung der Peer Guides in der JVA Geldern in Eigenregie der Anstalt durchgeführt – das Anne Frank Zentrum unterstützte mit pädagogischen Konzepten und Materialien. In der JVA Adelsheim konnten 13 Jugendliche zu Peer Guides ausgebildet werden. Und in der JSA Berlin wurde die feierliche Ausstellungseröffnung umgeplant zur Finissage – und dann doch abgesagt. Dennoch war das Projekt ein Erfolg und regte die jungen Gefangenen zur Auseinandersetzung mit der Geschichte an. »Mit Geschichte kann ich eigentlich nicht viel anfangen«, so ein Teilnehmer, »aber die Geschichte von Anne Frank ist außergewöhnlich und interessant. Deswegen würde ich jedem raten, sie sich anzuhören.« Der umfangreiche Forschungsbericht zum Projekt »Politische Bildung im Strafvollzug – Angebote, Bedarfe, Leerstellen« (2019) des Anne Frank Zentrums in Kooperation mit der Hochschule Merseburg erschien 2020 im Beltz Verlag sowie als Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung. © B e l t z J u v e n t a Der Forschungsbericht ist Ergebnis des gleichnamigen Projekts, das durch die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wurde.

Digitaler Fachtag »Prävention von Antisemitismus im Strafvollzug: Empirische Forschung und pädagogische Praxis« Antisemitismus sei ein »heißes Thema« unter jungen Inhaftierten, so beschrieben es pädagogische Fachkräfte in Justizvollzugsanstalten in unserer Pilotstudie zur politischen Bildung im Strafvollzug. Diese Erkenntnis nahm das Projekt »Prävention von Antisemitismus im Strafvollzug – Qualifizierung, Vernetzung und Praxisforschung« zum Aus- gangspunkt, um die Arbeit des Anne Frank Zentrums in Gefängnissen weiter auszubauen. In der JSA Berlin wurden neue Bildungsangebote erprobt, darunter die Teilnahme von Inhaftierten am Anne Frank Tag, theaterpädagogische Angebote und themenspezifische Workshops für Gefangene in U-Haft. Auf Bundesebene wurden in Zusammenarbeit mit der Hochschule Merseburg vertiefende Erhebungen durch - geführt. Höhepunkt des Projekts war der Online-Fachtag am 6. November, auf dem Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit Fachkräften aus Bildung und Justiz über F o t o : B e n j a m n J e n a k i F o t o : B e n j a m n J e n a k i Möglichkeiten der Prävention von Antisemitismus im Straf- vollzug ins Gespräch kamen. In der Diskussion von Hand- lungsansätzen der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit ist unter anderem der Bedarf an Fortbildungen für JVA- Mit arbeiter*innen sowie an zielgruppengerechten Lern - materialien für Jugendliche in Haft deutlich geworden. Eine Dokumentation des Fachtags ist online verfügbar: https://pad.medialepfade.net/s/Fachtagsdoku_JVA# Kontakt: Roman Guski +40 (0)30 288 86 56 34 guski@annefrank.de Oben: Einblicke in das Fachtags- studio in der Dauerausstellung Links: Ronen Steinke im Gespräch mit Pia Lamberty Jahresbericht 2020 ::: Wanderausstellungen 27

F o t o : R u t h e Z u n t z Das Jugendnetzwerk Der Arbeitsbereich »Jugendnetzwerk« organisiert das Anne Frank Botschafter*innen Programm sowie den Anne Frank Tag. Im Botschafter*innen Programm unterstützt das Anne Frank Zentrum junge Menschen dabei, eigenständig Projekte für Demokratie, für eine lebendige Erinnerungskultur und gegen Antisemitismus, Rassismus und jede Form von Diskriminie- rung umzusetzen. Jugendliche, die bereits als Peer Guides in der Wanderausstellung des Anne Frank Zentrums tätig waren, finden hier die Möglichkeit, ihr Engagement zu ver tiefen. In Vorbereitung darauf nehmen die Jugendlichen an viertägigen Bildungsseminaren in Berlin teil. Bei der eigenständigen Durchführung ihrer Projekte in ihren Heimatorten erhalten sie vom Anne Frank Zentrum Beratung und Unterstützung. Nach einer erfolgreichen Projektumsetzung werden sie für ihr Engagement feierlich als Anne Frank Botschafter*innen aus- gezeichnet und können als Teil des Jugendnetzwerks von viel- fältigen Möglichkeiten der Ver netzung und Weiterbildung profitieren. Dazu gehört auch die jährlich stattfindende internationale Summer School, die dieses Jahr aufgrund der Pandemielage digital stattfand. Zahlreiche Anne Frank Bot- schafter*innen bleiben auch im weiteren Leben aktiv und setzen sich für eine demokratische Gesellschaft ein. Mit ihren Aktionen leisten sie einen wichtigen Beitrag für eine demokratische Gesellschaft und für die Erinnerung an Anne Frank und den Holocaust. Im Rahmen der Ehrung im Jahr 2020 wurde die 300. Botschafter*in geehrt. 28 28 Jahresbericht 2020 ::: Jugendnetzwerk

links: Anne Frank Botschafter*innen-Ehrung 2020 F o t o : J . Anne Frank Botschafter*innen Programm 2020 DAS PROGRAMM 2020 IM ÜBERBLICK Anzahl der geehrten Botschafter*innen: 31 Datum der Botschafter*innen-Ehrung: 18. September 2020 Anzahl der geehrten Projekte: 9 Anzahl der 2020 begonnenen, noch nicht geehrten Projekte: 7 Anzahl der Seminarteilnehmer*innen: 19 Anzahl der Teilnehmer*innen an Vernetzungstreffen: 46 Das 8. Jahr des Anne Frank Botschafter*innen Programms war durch die Corona Pandemie anders verlaufen als erwartet. Veranstaltungen wurden teilweise in den digitalen Raum verlegt und das Botschafter*innen Seminar hat auf- grund des Lockdowns im Frühjahr nur im Oktober statt - gefunden. Das Seminar bot den 19 Jugendlichen, die sich bereits als Peer Guides in den Anne Frank Wanderaus - stellungen engagiert hatten Unterstützung bei der Ent - wicklung einer Projektidee und eine Einführung in das Projekt management. Raum zum Austausch und vertiefende Workshops zu Themen wie Anti semitismus, Erinnerungs - kultur und Demokratie waren ebenfalls Teil des Programms. Ein Highlight war die Ehrung der Botschafter*innen, die ihre Projekte 2020 abgeschlossen haben. In feierlichem Rahmen wurden die Jugendlichen in der niederländischen Botschaft durch die Vizepräsidentin des Bundestages Claudia Roth und den niederländischen Botschafter Wepke Kingma für ihr Engagement geehrt. Ein Höhepunkt der Ehrung war die Live- Schaltung der Zeitzeugin Eva Schloss aus London, die die Jugendlichen in ihrem Engagement bestärkte. Für bereits geehrte Botschafter*innen haben im Jahr 2020 drei Ver - netzungstreffen und ein internationales digitales Jugend- camp stattgefunden. K o n r a d S c h m d t i CLAUDIA ROTH Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags .............................................................. Wir alle tragen Verantwortung, das kollek- tive Gedächtnis in Bezug auf den Holocaust kontinuierlich zu erneuern und uns all jenen, die das Vergessen einfordern, mit aller Kraft entgegenzustellen. Die jungen Menschen, die als Anne Frank Bot schafter* - innen ausgezeichnet werden, haben genau das mit ihrem Engagement getan. Sie haben sich Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Antiziganismus und jedweder Diskriminierung entgegengestellt. Diese jungen Botschafter*innen haben sich einge- setzt für eine diverse Gesellschaft, für das starke, bunte »Wir alle«. Sie tragen dazu bei, dass nicht gespalten wird, dass nicht ausgegrenzt wird. Und sie tragen bei zum Erhalt unserer Erinnerungskultur. Und das ist von unschätzbarem Wert. Jahresbericht 2020 ::: Jugendnetzwerk 29

F o t o : G r e g o r Z i e l k e EVA SCHLOSS Stieftochter von Otto Frank .............................................................. Es ist eigentlich sehr seltsam, dass wir aus der Geschichte nichts gelernt haben. Wir haben auch nach dem Krieg in Europa wieder gesehen, dass Menschen, die über Generationen zusammengelebt haben, sich wieder bekämpfen, z. B. in Bosnien oder im ehemaligen Jugoslawien...Was ist denn los mit uns? Warum können wir nicht begreifen, dass wir alle Menschen sind, dass wir alle in Harmonie zusammenleben müssen? In Amerika werden fast jeden Tag Schwarze Menschen erschossen... Leute, die nichts gemacht haben, einfach aufgrund ihrer Hautfarbe. …Warum haben wir immer noch Vorurteile? Das ist etwas, was wir immer noch bekämpfen müssen… Zusammen - leben, das ist das, was wir lernen müssen. (Auszug aus der Rede zur Anne Frank Botschafter*innen-Ehrung 2020) 30 Jahresbericht 2020 ::: Jugendnetzwerk Screenshot beim Online-Vernetzungstreffen Botschafter*innen-Projekte 2020 ó Attention Please! – Workshop und Zeitzeuginnen - interview von Lilli Steffens und Katharina Schönfelder ó Deine Stimme für Vielfalt – Podcast von Jacob Groth, Franka Hausberger, Simon Fauser und Jonas Herbst ó Power to the Girls – Workshop von Ljuba Bauer und Luisa Schuck ó Gedenkstättenfahrt KZ Dachau – Gedenkstättenfahrt, organisiert von Kim Heder, Luana Satziger und Linda Hefele ó Heimatporträts – Zeitungsartikelreihe von Linda Singer, Ruth Konrad, Nina Brunner und Lena Kopp ó Society Change – Podcast von Isabelle Klos, Lea Alt, Jule Wiescher und Charlotte Pitchford ó Cake and Politics – Workshop von Antonia Feistel, David Riegger und Joachim Rutzer ó DemokratieSchule – Webseite und Instagram-Account von Niklas Kühner, Julius Valentin Frankenstein und Fabienne Riesinger ó project.equalitea – Instagram-Account von Nele Förter- Barth, Paula Schmidt, Mathilda Saxer, Ioanna Kouskouvata und Sophie Roth

Vernetzungstreffen in Düsseldorf Veranstaltungen des Jugendnetzwerks 2020 Im Oktober fand im Jungen Schauspiel Düsseldorf ein Ver - netzungstreffen zum Theaterstück »Liebe Kitty« statt. Zur Vorbereitung der Zuschauer*innen auf das Stück wurden die Botschafter*innen befähigt, Einführungsworkshops zu Anne Franks Leben und ihrem eigenen Engagement als Bot - schafter*innen zu geben. Im November hat unter dem Motto: »Über die Vergangenheit lernen – Die Zukunft gestalten« ein weiteres Vernetzungstreffen digital stattgefunden, das die Weiterentwicklung des Botschafter*innen Programms unter Ein beziehung der Jugendlichen zum Thema hatte. Die hier entwickelten Vorstellungen und Visionen der Bot schafter* - innen sollen im weiteren Prozess in das Programm aufge - nommen werden. Highlight des Jahres war die digitale Summer School zum Thema: »Nobody need wait a single moment before starting to improve the world: Civic engagement in challenging times«, die im Juli mit 60 Teil - nehmer*innen aus 16 Ländern an vier Tagen stattgefunden hat. Nach einem Einführungsvortrag zum Umgang mit polarisierten Debatten konnten die Jugendlichen in drei Fortbildungen zu den Themen »Die Kunst einen Podcast zu entwickeln«, »Gewusst wie: Online-Seminare gestalten« und »Radikal höflich gegen Rechtpopulismus: Ein Argumentations training« ihr Wissen vertiefen und den Grundstein für internationale Projekte legen. Die digitale Summer School war der Auftakt für die internationale Spring School im April 2021. F o t o : p r i v a t M I Ć A M I Š L J E N OV I Ć Internationales Mitglied des Anne Frank Jugendnetzwerks .............................................................. Ich danke dem Anne Frank Zentrum, dass es die Anne Frank Summer School für das Anne Frank Youth Network organisiert und digital möglich gemacht hat. Während der Summer School hatte ich die Gelegenheit, mit vielen jungen Menschen aus ver - schiedenen Ländern zu sprechen. Ich konnte verschiedene persönliche Geschichten, Ideen und Sichtweisen kennenlernen. Es hat mir wirklich Spaß gemacht. Die Summer School bot mir die Gelegenheit, an der Entwicklung meiner eigenen Idee zu arbeiten: ein Camp für junge Menschen zu erschaffen. Ich habe einige ziemlich gute und konstruktive Rat- schläge von anderen Teilnehmer*innen gehört. Als Teil des Jugendnetzwerks hatte ich die Gelegenheit in einer sicheren Umgebung Kontakte zu knüpfen, zu teilen und mich zu engagieren. Ich bin dankbar, dass ich ein Teil des Netzwerks bin. Jahresbericht 2020 ::: Jugendnetzwerk 31

Schüler*innen). Bundesjustizministerin Christine Lambrecht übernahm die Schirmherrinnenschaft. Anlässlich des 75. Jahrestages des Endes des Zweiten Welt- krieges im Jahr 1945 war das Thema des Anne Frank Tages 2020 »Freiheit«. Die Schüler*innen setzten sich in diesem Zusammenhang mit der Biografie von Anne Frank und dem Nationalsozialismus auseinander. Sie lernten so über die massiven Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten für Jüdinnen und Juden im Zuge der antisemitischen Ver folgungs - politik der Nationalsozialisten und den Holocaust. Das Anne Frank Zentrum stellte den Schulen dafür umfang- reiche pädagogische Materialien zur Verfügung, darunter waren eine digitale und gedruckte Plakatausstellung, die 16-seitige Anne Frank Zeitung, Postkarten, Arbeitsblätter, ein pädagogischer Lehrkräfte-Leitfaden und ein Video-Interview mit dem jüdischen Widerstandskämpfer Zvi Aviram. Außer- dem beteiligte sich erstmals das Begegnungsprojekt »Meet a Jew« vom Zentralrat der Juden in Deutschland am Anne Frank Tag. In den Begegnungen vor Ort und virtuell lernten Schüler*innen so junge Jüdinnen*Juden kennen. Anne Frank Tag Erstmalige Durchführung des Anne Frank Tages: 2017 Veranstaltungsform: jährlich am 12.6. Thema 2020: »Freiheit« Eröffnungsveranstaltung: Anne-Frank-Grundschule in Berlin- Tiergarten Lernmaterialien: Plakatausstellung, digitale Ausstellung, Anne Frank Zeitung mit Arbeitsaufgaben und Leitfaden für Lehrkräfte, Postkarten Anzahl der bundesweit teilnehmenden Schulen: 340 Anzahl der Schüler*innen: ~60.000 Zum Anne Frank Tag 2020 beschäftigten sich bundesweit rund 60.000 Schüler*innen aus 340 Schulen mit dem Leben von Anne Frank während des National sozialismus. Am 12. Juni, Anne Franks Geburtstag, engagierten sich Lehrkräfte und Schüler*innen für Vielfalt und Demokratie und gegen Antisemitismus und Rassismus. Die umfangreiche Bericht - erstattung in überregionalen und lokalen Medien zeigte das starke öffentliche Interesse an dem Aktionstag. Aufgrund der Corona-Pandemie fand der Anne Frank Tag unter erschwerten Bedingungen statt. Dennoch konnte die Zahl der Teil - nehmenden erneut gesteigert werden (2019: 40.000 Schüler*innen; 2018: 20.000 Schüler*innen; 2017: 11.000 32 Jahresbericht 2020 ::: Jugendnetzwerk

F o t o : R u t h e Z u n t z Antworten von Schüler*innen der Anne-Frank-Grundschule, Berlin zu den Fragen: »Was bedeutet die Lebensgeschichte von Anne Frank für Dich? Was bedeutet Freiheit?« Jonas, 5. Klasse: So etwas darf nie wieder passieren. Aber es gab Menschen, die sehr viel Kraft und Mut gezeigt haben und Menschen geholfen haben, denen es noch schlechter ging. Die Geschichte von Anne ist traurig. Darum hoffe ich, dass alle Menschen daraus gelernt haben. Emma, 5. Klasse: Aus der Lebensgeschichte von Anne lerne ich, nicht leise zu sein, sondern mich für andere stark zu machen und auch andere davon zu überzeugen. Dennis, 5. Klasse: Die Lebensgeschichte von Anne Frank bedeutet für uns, dass wir daraus lernen. Man sollte keine Menschen verachten. Wir sollten zusammenhalten und »Nein« zu Rassismus sagen. Jeder Mensch ist gleich viel wert. Josefine, 5. Klasse: Freiheit bedeutet für mich, meine eigene Meinung zu sagen, beim Rausgehen keine Angst zu haben, dass man macht, was man will, und sich sicher fühlt. Julie, 6. Klasse: Freiheit bedeutet Verantwortung: was man tut, wohin man geht, und mit den Entscheidungen, die man getroffen hat, leben zu können. Ayleen, 5. Klasse: Die Lebensgeschichte von Anne Frank bedeutet mir sehr viel. Ich habe viel aus ihr gelernt. Anne Frank ist mit der Freiheitsberaubung sehr gut umgegangen für ihr Alter. Ich hoffe, dass so etwas nie wieder passiert und Anne Frank sich gefreut hätte, dass sie nach ihrem Tod doch noch eine Schriftstellerin wurde. Jahresbericht 2020 ::: Jugendnetzwerk 33

F o t o : M i c h a ł Ż a k Entwicklung – Neue Lernformate: Projekte und Materialien Seit 2018 gibt es im Anne Frank Zentrum den eigenständigen Arbeitsbereich »Entwicklung – Neue Lernformate«. Er hat das Ziel, Jugendlichen und Multiplikator*innen die Vielfalt von Lebensgeschichten zu vermitteln. Ein bewährter Zugang ist dabei der Ansatz des biografischen Lernens. Themen wie Antisemitismus, Rassismus, Flucht und Migration werden durch konkrete Biografien greifbar. Das Anne Frank Zentrum hat in den letzten Jahren mehrere biografische Materialien veröffentlicht und bietet Fortbildungen für Lehrkräfte und Multiplikator*innen zur Arbeit mit den Lernmaterialien. Bereits seit 2011 begleitet das Anne Frank Zentrum zivil - gesellschaftliche Akteur*innen bei der Umsetzung von lokal- geschichtlichen und generationsübergreifenden Projekten. Im Mittelpunkt steht dabei die aktive Einbeziehung von jungen Menschen in die kritische Auseinandersetzung mit Lokalgeschichte. Der Ansatz des biografischen Lernens erleichtert auch hier den Zugang zur Geschichte und ihrer Bedeutung für die Gegenwart. So werden lebensweltnahe Formate des Erinnerns und Gedenkens partizipativ mit Jugendlichen erarbeitet. Ein wichtiger Anspruch dabei ist es, die Geschichten von Menschen präsent zu machen, die in der Zeit des Nationalsozialismus und des Holocaust verfolgt oder ermordet wurden. 34 Jahresbericht 2020 ::: Entwicklung – Neue Lernformate: Projekte und Materialien

Projekte Projekt »1939.2019 – Vielfalt lokaler Erinnerungen« Der Beginn des Zweiten Weltkriegs im lokalen und generationsübergreifenden Gedächtnis Projekttitel: 1939.2019 – Vielfalt lokaler Erinnerungen Laufzeit: Januar 2019 – Dezember 2020 Themen: lokale Erinnerungs- und Geschichtsprojekte mit Jugendlichen, Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus, Ausein- andersetzung mit Verfolgungsbiografien, intergenerativer Dialog Zielgruppe(n): Jugendliche, lokale Akteure in Bildungs - institutionen und Stadtverwaltungen In Brühl, Drebkau, Gotha, Lößnitz und im Landkreis Göttin- gen wurden in den Jahren 2019 und 2020 Akteur*innen aus Bildung und Verwaltung dabei unterstützt, lokale Geschichts- und Erinnerungsprojekte mit Jugendlichen umzusetzen. Ziel war die Sichtbarmachung von Menschen, die im National - sozialismus verfolgt wurden, und die Sensibilisierung für neue Perspektiven auf historische Ereignisse. Der Anknüpfungs- punkt war der Herbst 2019, in dem sich der Überfall auf Polen und somit der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal jährte. Die Jugendliche setzten sich in lokalen Projek- ten mit der Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Geschichte des National sozialismus auseinander und entwickelten eigene Formate des Erinnerns. Jeweils zwei Koordinator*innen – aus Bildungseinrichtung und Stadt - verwaltung – verantworteten das lokale Projekt. Das Anne Frank Zentrum begleitete die Projektpartner*innen in der Auseinandersetzung mit der Geschichte vor Ort und ver - mittelte dabei den Ansatz des biografischen Lernens. Die beteiligten Koordinator*innen wurden durch eine fünfteilige Fortbildungsreihe unterstützt und qualifiziert, um vor Ort ein generationsübergreifendes Erinnerungsprojekt ins Leben zu rufen. Die Fortbildungsreihe endete mit einem digitalen Aus - wertungsworkshop im Juni 2020, der dem Austausch und der Evaluation der durchgeführten lokalen Projekte diente. Des Weiteren wurden die Ergebnisse im Rahmen des Ver - netzungstreffens »Vielfalt gestalten. Erinnerungsprojekte und zivilgesellschaftliches Engagement im ländlichen Raum« in Leipzig und digital vorgestellt. F o t o : M i c h a ł Ż a k Jugendliche aus Gotha befragten Passant* - innen zu den Formen der Erinnerung an die jüdischen Bewohner* - innen der Stadt 35

»1939.2019 – Vielfalt lokaler Erinnerungen«: Einblicke in die Projektarbeit vor Ort Einen Höhepunkt der Projektarbeit stellte in allen Orten die öffentliche Präsentation der Ergebnisse im Stadtraum dar. Teilweise mussten 2020 die Präsentationen coronabedingt in den virtuellen Raum oder andere Medien verlegt werden. Am 27. Januar konnten die Jugendlichen in Lößnitz den Film vorstellen, der ihre Gespräche mit Zeitzeug*innen dokumentiert. Auch in Gotha befragten Jugendliche Zeit- zeug*innen und präsentierten ihre Ergebnisse zwischen März und Mai im Radio. Im Landkreis Göttingen entstand ein historischer Spaziergang durch Bad Sachsa mit Hilfe der App »Action bound«. Er ist seit April online zugänglich. In Drebkau machten sich Jugendliche auf eine Spurensuche nach Angehörigen der sorbischen Minderheit im National - sozialismus und bereiteten eine multimediale Präsentation am 2. Oktober vor. Im Rahmen des Projekts entstand die Broschüre »Vielfalt lokaler Erinnerungen«: Sie gibt einen Ein- blick in die Projektarbeit vor Ort und bietet Reflexionen und Arbeitshilfen für die Umsetzung von lokalen Jugend - geschichtsprojekten. Die PDF-Version der Broschüre findet sich unter: www.annefrank.de/1939.2019 F o t o : R u t h e Z u n t z KATALIN PORÁCZKI Projektkoordinatorin Drebkau, Museum Sorbische Webstube .............................................................. Bei uns ist der Name des Projektes schon Programm: Vielfalt lokaler Erinnerungen. Denn wir haben eine ganze Menge Vielfalt hier in Drebkau entdeckt. Diese emotionale Nähe zu den Geschichten, die hier vor Ort stattgefunden haben, führt bei den Jugend- lichen zu einem tieferen, stärkeren Lern - effekt als das, was sie allgemein in der Schule aus Geschichtsbüchern lernen. Sie haben die Identifikation hier vor Ort, sie wohnen hier. Das heißt, es gibt mehr oder minder eine direkte Verbindung dazu. Sie erfahren: Hier ist auch etwas passiert. Auch hier gab es Verfolgung, auch hier gab es Menschen, die unter dem Krieg gelitten haben. Es ist wesentlich direkter, wenn man sozusagen die Verbindung zu dem Heimat- ort hat. Es macht das Ganze nachvollzieh- barer. 36

Verleihung der Comenius EduMedia Medaille für das Lernmaterial Fluchtpunkte © G e s e l l s c h a f t f ü r P ä d a g o g i k , I n f o r m a t i o n u n d M e d i e n e . V . Lernmaterialien In allen Lernmaterialien des Anne Frank Zentrums werden Zusammenhänge zwischen der Geschichte des National - sozialismus und der Gegenwart hergestellt. Das Verstehen der Vergangenheit sowie das Erinnern an die damals Ver - folgten werden mit der Gegenwart in Beziehung gesetzt: durch die Reflexion der heutigen Gesellschaft und durch das Aufzeigen von Kontinuitäten und Brüchen. Statt einer Historisierung des Nationalsozialismus soll damit ein engagiertes Erinnern angeregt werden, das sich als Teil der aktiven Einflussnahme auf die gegenwärtige Gesellschaft versteht. 2020 organisierte der Bereich »Entwicklung – Neue Lernfor- mate« insgesamt 18 Fortbildungen für Mulitplikator*innen zu den Lernmaterialien »Flucht im Lebenslauf«, »Stories that Move« und »Fluchtpunkte«. Außerdem fanden vier digitale Fortbildungen zur Arbeit mit der Handreichung »Umgang mit Antisemitismus in der Grundschule« statt. Fluchtpunkte. Bewegte Lebensgeschichten zwischen Europa und Nahost Zielgruppe: Jugendliche und junge Erwachsene Art des Lernmaterials: PDFs, Gruppendiskussionen Umfang: 6 Module à 1-3 Schulstunden, alle Module sind einzeln einsetzbar Fortbildungen für Multiplikator*innen 2020: 4 (43 Teiln ehmende) Kontext: Schule, außerschulisches Lernen Webseite: www. fluchtpunkte.net (kostenfrei) Kooperationspartner: _erinnern.at_, PROSA, Centre for Humanistic Education »Fluchtpunkte « zeigt anhand von sieben Lebensgeschichten Verflechtungen der deutschen und österreichischen Geschichte mit jener des arabisch-jüdischen »Nahen Ostens« auf. Das Lernmaterial thematisiert dabei den Kontext des Nationalsozialismus und die Folgen europäischer (Nahost-) Politik. Das Material entstand unter Projektleitung von _erinnern.at_. 2020 wurde es mit der Comenius EduMedia Medaille für exemplarische Bildungsmedien ausge zeichnet. Jahresbericht 2020 ::: Entwicklung – Neue Lernformate: Projekte und Materialien 37

G r a f i k : A n n e k e G e r l o f f F o t o : J a n v a n H o l l e b e n Flucht im Lebenslauf – Biografisches Lernen mit Jugendlichen Stories that Move – Toolbox gegen Diskriminierung Zielgruppe: Jugendliche ab 14 Jahre Art des Lernmaterials: PDFs, Videos, Gruppendiskussionen, ver- schiedene kreative Methoden Umfang: 8 Bausteine à 90 Minuten + 6 Bausteine à 5 Stunden, alle Bausteine sind einzeln einsetzbar Fortbildungen für Multiplikator*innen 2020: 4 (63 Teiln ehmende) Kontext: Schule, außerschulisches Lernen Webseite: www.annefrank.de/flucht (kostenfrei) Das Lernmaterial erzählt die Lebensgeschichten von drei geflüchteten Menschen aus Geschichte und Gegenwart: Anne Frank aus Deutschland, Hava aus dem Kosovo und Marah aus Syrien. Es thematisiert die Komplexität von Flucht und Ankommen und sensibilisiert für historische Kontinuitäten von Rassismus, Diskriminierung und Anti - semitismus. Zudem eröffnet das Material Reflexionsräume zur Lebensrealität geflüchteter Menschen. Kontakt: Ilanga Mwaungulu +49 (0)30 288 86 56 26 mwaungulu@annefrank.de Zielgruppe: Schüler*innen ab 14 Jahre Art des Lernmaterials: Online-Umgebung (digitaler Klassen- raum), Videos, Gruppendiskussionen (einzelne Übungen auch offline verfügbar), in sieben Sprachen Umfang: 5 Module mit jeweils mehreren Unterrichtseinheiten à 1-3 Schulstunden, alle Einheiten können auch einzeln bearbeitet werden Fortbildungen für Multiplikator*innen 2020: 10 (147 Teilnehmende) Kontext: Schule Webseite: www.storiesthatmove.org (kostenfreie Registrierung) Die Online-Toolbox »Stories that Move« wurde von Expert*innen aus sieben europäischen Ländern entwickelt und regt Schüler*innen dazu an, sich mit den Themen Vielfalt und Diskriminierung auseinanderzusetzen, ihre eigenen Positionen und Entscheidungsmöglichkeiten zu reflektieren und für eine plurale Gesellschaft aktiv zu werden. Dabei werden interaktive Online-Übungen mit Gruppenarbeiten kombiniert. Kontakt: Robert Zenker +49 (0)30 288 86 56 29 zenker@annefrank.de 38 Jahresbericht 2020 ::: Entwicklung – Neue Lernformate: Projekte und Materialien

»7 Wege. Jüdische Biografien in Hamburg« Zielgruppe: Jugendliche ab 14 Jahre Art des Lernmaterials: Mappe mit Lernmaterialien, Poster- Ausstellung Umfang: Loseblattsammlung mit 38 Seiten, 8 Poster Kontext: schulische und außerschulische Bildungsarbeit Webseite: annefrank.de/sieben-wege Die Lernmaterialien »7 Wege. Jüdische Biografien in Ham- burg« zeigen die Geschichten von sieben Personen aus Geschichte und Gegenwart. Die Biografien berichten von Selbstbehauptung, von Engagement, von Auseinander - setzung mit sich, der eigenen Religion und Identität. Sie erzählen von vielen verschiedenen Bezügen zum Judentum und zeigen die Vielfalt jüdischen Alltags in Deutschland. Die Verfolgung und Ermordung im Holocaust sowie aktueller Antisemitismus bilden wichtige Bezugspunkte. Kontakt: Rinske Reiding +49 (0)30 288 86 56 32 reiding@annefrank.de Handreichung zum Umgang mit Antisemitismus in der Grundschule Zielgruppe: Schüler*innen der Grundschule Art des Lernmaterials: Handreichung mit zahlreichen Methoden und weiterführenden Hinweisen Umfang: 68 Seiten Fortbildungen für Multiplikator*innen 2020: 4 (31 Teil nehmer* innen) Kontext: Grundschule Webseite: annefrank.de/antisemitismus-grundschule Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der Grund- schule stellte bisher eine Leerstelle in der antisemitismus - kritischen Bildungsarbeit dar. Die Handreichung behandelt die Themen »Jüdischer Alltag in Berlin heute«, »Auseinander- setzung mit antisemitischen Vorurteilen und Stereotypen« und »Thematisierung des Holocaust«. Zu allen Themen bie- tet sie kurze Hintergrundtexte, praxiserprobte Methoden und zahlreiche Empfehlungen für Literatur, Filme, Lernorte, Beratungsstellen oder Online-Angebote. Kontakt: Robert Zenker +49 (0)30 2888656-29 zenker@annefrank.de Jahresbericht 2020 ::: Entwicklung – Neue Lernformate: Projekte und Materialien 39

F o t o : K a t j a H a r b i Veranstaltungen Alle Arbeitsbereiche des Anne Frank Zentrums organisieren regelmäßig Veranstaltungen. Im Rahmen von Tagungen, Fachtagen und Vernetzungstreffen werden spezifische Themen - schwerpunkte aus dem Bereich der historisch- politischen Bildungsarbeit vertieft und diskutiert. Ein besondere Heraus- forderung dabei war 2020 die Ermöglichung von Angeboten unter Berücksichtigung der Corona-Vorgaben. Die meisten Veranstaltungen fanden digital statt. Bei Präsenzangeboten wurde auf Sicherheit und die Einhaltung der Corona- Ver ordnung geachtet. Hier wird eine Auswahl wichtiger Ver- anstaltungen vorgestellt. Fachforum: »Lokal engagiert im ländlichen Raum« In Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung organisierte das Anne Frank Zentrum am 6. Oktober 2020 das digitale Fachforum »Lokal engagiert im ländlichen Raum. Jugendgeschichtsprojekte im Dialog der Generationen gestalten«. Das Fachforum ist der Frage nachgegangen, was die lokalen Träger benötigen, um sowohl die Erinnerung an die NS- als auch DDR-Geschichte in Zukunft zu gestalten und Angebote der historisch-politischen Jugendbildung partizipativ weiterzuentwickeln. Multiplikator*innen tauschten sich über ihre Erfahrungen aus und bekamen methodische Impulse für die Umsetzung von lokalen Jugendgeschichtsprojekten. 40 Jahresbericht 2020 ::: Veranstaltungen

Online-Seminar: »Weiterleben nach der Shoah – Ansätze zur Vermittlung von 75 Jahre Kriegsende und Befreiung für junge Lernende« In Kooperation mit dem Desk für die deutschsprachigen Länder der Internationalen Schule für Holocaust Studien in Yad Vashem führte das Anne Frank Zentrum erstmals das Online- Seminar »Weiterleben nach der Shoah – Ansätze zur Ver mittlung von 75 Jahre Kriegsende und Befreiung für junge Lernende« durch. Das Angebot widmete sich der Frage, wie man mit Schüler*innen ab 10 Jahren die Shoah thematisieren kann. Das Seminar richtete sich an Lehrkräfte der Jahrgangs- stufen 5, 6 und 7, Erzieher*innen, außerschulische Bildner* - innen und andere pädagogische Fachkräfte. Im ersten Modul wurden konzeptionelle Überlegungen zur Arbeit über den Holocaust anhand von Zeugnissen erläutert. In einem video- grafierten Interview erzählte der Überlebende Zvi Aviram davon, wie er die Befreiung erlebt hatte. Das zweite Modul bot einen Über blick über die empirische Forschung zur Thematisierung des Holocaust mit Kindern ab 10 Jahren im deutsch sprachigen Raum. Die Seminarreihe wurde 2020 drei- mal durchgeführt. Kontakt: Veronika Nahm +49 (0)30 288 86 56 13 nahm@annefrank.de Das Foto zeigt Zvi Aviram bei einer Veranstaltung 2016. Er starb im Oktober 2020. F o t o : S w e n R u d o p h l © D a v i d H e e r d e RUTH UR Geschäftsführerin Freundeskreis Yad Vashem e.V. Direktorin für die deutschsprachigen Länder und die Schweiz, Yad Vashem .............................................................. Schon lange habe ich die Arbeit des Anne Frank Zentrums bewundert. Durch die Pandemie kam 2020 erstmals eine Zusammenarbeit zustande. Unser gemein- samer Freund, der Holocaust-Überlebende Zvi Aviram konnte leider nicht, wie ursprünglich geplant, persönlich am Anne Frank Tag teilnehmen. Daher schlug das Anne Frank Zentrum uns eine Kooperation vor: Wir interviewten Zvi in Israel und das Interview wurde dann am Anne Frank Tag gezeigt. Dies war der Beginn einer groß - artigen Zusammenarbeit zwischen Yad Vashem und dem Zentrum. Sie setzt sich in gemeinsamen Workshops und Veran - staltungen fort. Das Interview mit Zvi war leider sein letztes und ist deshalb ein wichtiges Zeugnis seiner Kindheit und seiner Erfahrungen in der Shoah. Für mich zeigt das zwei Dinge: wie wichtig es ist, zusammenzuarbeiten und wie wenig Zeit man dabei verlieren darf. Jahresbericht 2020 ::: Veranstaltungen 41

F o t o : K a t j a H a r b i Austausch beim Empowerment-Workshop für Bildner*innen und Lehrkräfte Intersektionalität und Empowerment in der Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus 2020 wurden die Fortbildungen zu den Lernmaterialien »Stories that Move«, »Flucht im Lebenslauf« und »Flucht- punkte« inhaltlich weiterentwickelt. Zum einen wurde ein stärkerer Fokus auf Intersektionalität – also die Ver - bindung und das Ineinanderwirken verschiedener Diskriminierungsformen – gelegt. Zum anderen gab es eine Weiterentwicklung. Ein Teil davon war die Anpassung der Lernmaterialien an die Erfordernisse von Homeschooling und Fernlehre. Ein anderer Teil war die Verschiebung des Fort - bildungsangebots in den digitalen Raum. Des Weiteren wurde in dem Projekt ein Empowermentwork - shop angeboten für Bildner*innen und Lehrkräfte, die selbst von Rassismus und/oder Antisemitismus betroffen sind. Gefördert wurde das Projekt von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Ilanga Mwaungulu +49 (0)30 288 86 56 26 mwaungulu@annefrank.de 42 Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus Seit 2016 ist das Anne Frank Zentrum Kooperationspartner der Amadeu Antonio Stiftung im Rahmen der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus. Ziel der Aktions - wochen ist es, Menschen und Initiativen bundesweit in der Arbeit gegen Antisemitismus zu unterstützen und zu ver - netzen. Nachdem bereits am 15. Mai 2020 ein »Digitaler Aktionstag gegen Verschwörungsmythen und Anti semitismus« veranstaltet wurde, fanden rund um den 9. Oktober, dem Jahrestag des Anschlags in Halle (Saale), und den 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome, zahl - reiche (Online-)Veranstaltungen und Seminare statt. Das Anne Frank Zentrum beteiligte sich mit Online-Fortbildungen zum »Umgang mit Antisemitismus in der Grundschule« am 22. September und 8. Oktober. Darüber hinaus fanden zwei Online-Filmscreenings und -Filmgespräche statt: »Ist man Antisemit aus Tradition?!« in Anwesenheit der Filme macherin Jona Schapira (11. November) und »Masel Tov Cocktail« mit dem Regisseur Arkadij Khaet (2. Dezember). Robert Zenker +49 (0)30 288 86 56 29 zenker@annefrank.de

F o t o : p r i v a t INTERVIEW MIT NIKOLAS LELLE Projektleiter der »Bildungs-und Aktions - wochen gegen Antisemitismus« ...................................................................... Was sind die Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus? Die Aktionswochen finden jedes Jahr statt und bestehen aus zwei Teilen: Zum einen gibt es eine bundesweit koordinierte große Veranstaltungsreihe rund um das Thema Antisemitismus, zum anderen planen wir jedes Jahr eine große Kommunikations - kampagne, um niedrigschwellig das Problem Antisemitismus für die Breite der Gesellschaft sichtbar zu machen. Seit wann gibt es die Bildungs- und Aktions- wochen und wie kam es zu deren Initiierung? 2003 wurden die Aktionswochen gegen Antisemitismus von der Amadeu Antonio Stiftung ins Leben gerufen. Sie finden seit- dem bundesweit statt. Der Fokus lag zu Beginn vor allem auf Ostdeutschland, da Antisemitismus dort bis dahin überhaupt nicht thematisiert worden war. Um Anti - semitismus im Heute, hat sich damals niemand so richtig gekümmert. Das war auch kein Thema in der öffentlichen Wahr- nehmung. Die Frage nach Antisemitismus damals und das Gedenken daran waren für uns ein Schlüssel, um mit Initiativen ins Gespräch zu kommen und rund um den 9. November eine Veranstaltungsreihe zu organisieren. Seit 2016 ist das Anne Frank Zentrum Partner der Aktionswochen. Was hat sich dadurch geändert? Das Anne Frank Zentrum verstärkt die Aktionswochen als Bildungspartner und bringt viele Lernangebote ein. Das spiegelt sich auch in der Erweiterung des Namens wider: in Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus. Was war das Besondere an den Bildungs- und Aktionswochen 2020? Fast alle Veranstaltungen fanden digital statt, das hat die Reichweite enorm erhöht. Im Mai haben wir einen »Digitalen Aktions- tag gegen Verschwörungsmythen und Anti semitismus« veranstaltet, um schnell auf die aktuellen Entwicklungen im Zuge der Corona-Pandemie zu reagieren. Und wir haben die zeitliche Rahmung der Bildungs- und Aktionswochen erweitert. Sie finden jetzt rund um den Jahrestag des Anschlags von Halle, dem 9. Oktober, und dem Jahres- tag der Pogromnacht, dem 9. November, statt. Dies macht eindrücklich klar, wie hochaktuell und gefährlich Antisemitismus heute ist und gleichzeitig wohin er führen kann. Inhaltliche Schwerpunkte waren die Rolle antisemitischer Verschwörungs - ideologien im Zuge der Corona-Pandemie, das geplante Massaker in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde zu Halle (Saale) und die wichtige Frage, wie Solidarität mit den jüdischen Gemeinden in Zeiten von Covid-19 und Halle aussehen kann und sollte. Was wünschst Du Dir für die Bildungs- und Aktionswochen in der Zukunft? Eine langfristige Finanzierung, damit wir mehr Planungssicherheit für unsere Arbeit gegen Antisemitismus haben. Jahresbericht 2020 ::: Veranstaltungen 43

2% 1% 2% 2% 4% 16% 3% 6% 1% 5% 89% 68% Finanzierungsquellen 2020 ó Zuwendungen ó Ausstellungserlöse ó Seminarerlöse ó Medienverkäufe ó Spenden, Geldauflagen, Freundeskreis ó sonstige Einnahmen Ausgaben 2020 ó Personalkosten ó Mieten und Nebenkosten ó Reisekosten ó Öffentlichkeitsarbeit ó Kosten Ausstellungen ó sonstige Kosten Veronika Kiesche | Isadora Krause | Emma Liebs | Ani Mizrak | Lara-Alexa Nagel | Jeanne Nägler | Reina Maria Nerlich | Annika Neubert | Julia Nießler | Lennart Pahlke | Mareike Schäffer | Jona Schapira | David Scheve | Judith Steinkühler | Julian Tiedtke | Dario Treiber | Hoang Thu Ngoc Trinh | Caroline Tupikowski | Menina Morenike Ugwuoke | Lion Wasczyk | Vincent Wechselberger Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2020 Im Jahr 2020 betrug das Budget des Anne Frank Zentrums 2.080.000 Euro. Der Jahresabschluss wird auf www.annefrank.de veröffentlicht. Die Grafiken oben zeigen, aus welchen Quellen die Arbeit finanziert wurde und wofür die Gelder ausgegeben wurden. Jahresbericht 2020 ::: Organisation 45

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht spricht bei der Eröffnung des Anne Frank Tags 2020 in der Anne-Frank-Grund- schule in Berlin Der 12. Juni 1929 war der Geburtstag von Anne Frank. Das Schicksal dieses jüdischen Mädchens, das erst alle seine Freiheiten und schließlich sein Leben durch die National - sozialisten verlor, ist ein zeitloses Mahnmal (Schulleiterin Gabriele von Blücher in Oberbergischer Anzeiger 25.06.2020) 46 Jahresbericht 2020 ::: Organisation F o t o : R u t h e Z u n t z Lambrecht betonte bei der Eröffnung in Berlin, dass der Anne Frank Tag ein wichtiger Tag sei, um ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Das Engagement sei in diesem Jahr größer als je zuvor. (Redaktion, Genthiner Volksstimme, 13.06.2020) Kommunikation Nach einer exklusiven Freundeskreis-Veranstaltung im Januar 2020 war die Arbeit im Bereich Kommunikation ab März stark von der Corona-Pandemie geprägt. Kontinuierlich wurden Informationen zu den Ausstellungen und Veran - staltungen auf allen Kommunikationskanälen aktualisiert, um kurz fristige Schließungen, Formatanpassungen und -neuent wicklungen zu kommunizieren. Darüber hinaus gab es zwei große Themen: den Anne Frank Tag 2020 sowie das neu gegründete Kompetenznetzwerk Antisemitismus. Das Kommunikationsteam beteiligte sich aktiv an der Umsetzung der digitalen Adaption der Printausstellung des Anne Frank Tages, unterstützte bei einer hybriden, corona - konformen Veranstaltungsplanung der Eröffnungsver - anstaltung und förderte durch aktive Pressearbeit die bundesweite Medienaufmerksamkeit für den Aktionstag.

F o t o : R u t h e Z u n t z In enger Abstimmung mit den fünf Organisationen des Kompetenznetzwerks Antisemitismus entwickelte der Arbeitsbereich Kommunikation mit der Agentur sans serif ein Corporate Design und erste Kommunikationsmittel für das Netzwerk. Innerhalb von nur drei Monaten entstand ein Corporate Design mit Logo und grundlegenden Design vor - gaben zu Schrift, Farbwelt, dem Grundlayout und Design - mustern. Erste Kommunikationsmittel wie Geschäftsaus - stattung, Roll-ups, Plakate und Flyer entstanden ebenfalls 2020. Als wichtigste Kommunikationsmaßnahme wurde am 30. Juni im Rahmen einer Pressekonferenz die neue Webseite des Kompetenznetzwerks Antisemitismus unter großem medialen Interesse gelauncht. Bundesweite Medien wie ARD oder Deutschlandradio Kultur berichteten. Die Webseite ist übersichtlich strukturiert und gliedert sich in die Haupt - bereiche »Über uns«, »Angebote«, »Veran staltungen« sowie »Tipps & Hinweise«. Die Angebote werden unterteilt in die Kategorien »Analyse«, »Bildung« und »Beratung«. Kontakt: Dina Blauhorn +49 (0)30 288 86 56 41 blauhorn@annefrank.de Franziska Giffey, Bundes ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, überreicht Patrick Siegele, dem Direktor des Anne Frank Zentrums, ein Türschild für die Koordinierungsstelle des Kompetenz netzwerks Anti semitismus Es ist das erste Mal, dass wir über unser Bundesprogramm »Demokratie leben!« ein eigenes Kompetenznetzwerk Antisemitismus fördern. Das Kompetenznetzwerk soll Informationen bundesweit bündeln, fachliche Beratung bereitstellen und erfolgreiche Präventionsansätze an andere weitergeben und übertragen – auf Bundesebene, in den Ländern und Kommunen. Die Expertise der fünf Partner im Kompetenznetzwerk ist wichtig für unsere gesamte Gesell- schaft. (Franziska Giffey im Interview mit Detlef David Kauschke, Jüdische Allgemeine, 02.07.2020) Jahresbericht 2020 ::: Organisation 47

l © F o t o s a m m u n g A n n e F r a n k H a u s , A m s t e r d a m Links: Anne Franks Video- tagebuch, Luna Cruz Perez (Anne) mit Kamera Rechts: Mit glieder des ersten Vorstands der Anne Frank Stiftung, 1957. V.l.n.r. Floris Bakels, Otto Frank, Truus Wijsmüller und Herman Heldring werden mussten, organisierte das Anne Frank Haus gemein- sam mit Partnern 145 Wanderausstellungen in 33 Ländern. Es wurden 91 Führungsschulungen durchgeführt. Darüber hinaus fanden 533 weitere Bildungsaktivitäten in 25 Ländern statt. Aufgrund der Pandemie waren 308 davon online. Der Historiker und Mitarbeiter des Anne Frank Hauses Bas von Benda-Beckmann veröffentlichte im November das Buch »After the Secret Annex«. Es thematisiert die Situation nach der Entdeckung, die Lagerhaft von Anne Frank und der anderen Untergetauchten und die Fragen zu ihrem Tod. Zur Weiterentwicklung der Online-Toolbox »Stories that Move« startete das Anne Frank Haus im November außerdem eine Crowdfunding-Kampagne. Obwohl das Anne Frank Haus 2020 erfolgreich online Bildungsprogramme als Alternative zum Besuch vor Ort anbot, hofft die Organisation darauf, dass 2021 wieder mehr Besucher*innen in das Museum kommen können. © A n n e F r a n k H o u s e F o t o : R a y v a n d e r B a s Die Partnerorganisation Anne Frank Haus im Jahr 2020 Das Anne Frank Zentrum ist seit 1998 die deutsche Partner - organisation des Anne Frank Hauses in Amsterdam. Das Anne Frank Haus empfing bereits 1960 erstmals Besucher* - innen und zieht seitdem Menschen aus aller Welt an. Nach einem Besucherrekord von 1,3 Millionen Personen im Jahr 2019 folgte aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 ein starker Einbruch in den Besucher*innenzahlen. Das Anne Frank Haus musste 2020 insgesamt dreimal schließen, zuletzt ab Mitte Dezember. Die Besucher*innen-Zahlen sanken auf nur 396.779 Personen. Das entspricht einem Rückgang um rund 70 Prozent. Wegen der damit ver - bundenen Einnahmenminderung aufgrund von fehlenden Eintritts geldern mussten schmerzhafte Maßnahmen ergriffen werden. Das Anne Frank Haus musste ein Fünftel der Mit - arbeiter*innen entlassen. Dennoch gab es 2020 auch Höhepunkte und Erfolge wie etwa das vom Anne Frank Haus auf Youtube veröffentlichte Anne Frank-Videotagebuch: Die auf Anne Franks Tagebuch - einträgen basierende Videoreihe erreichte rund 6,5 Millionen Zuschauer*innen und weltweit positive Resonanz. Obwohl wegen der Corona-Pandemie hunderte Präsentationen der Anne Frank Wanderausstellungen international abgesagt 48 Jahresbericht 2020 ::: Organisation

Gremien und Mitgliedschaften Auch 2020 engagierte sich das Anne Frank Zentrum ent - sprechend seiner Vernetzungsstrategie in verschiedenen Gremien. Beispielhaft seien genannt: ó Taskforce Education on Antisemitism beim American Jewish Committee ó Beirat des Bündnisses für Demokratie und Toleranz ó Forum gegen Rassismus beim Bundesministerium des Innern ó Praxisforum Rechtsextremismus ó Berliner Beratungsnetzwerk Rechtsextremismus ó Runder Tisch der Bundeszentrale für politische Bildung ó Arbeitskreis Geschichte und Menschenrechte Darüber hinaus war das Anne Frank Zentrum unter anderem Mitglied im: ó Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) ó Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) ó Landesverband der Museen zu Berlin ó Deutscher Museumsbund International ist das Zentrum in das Netzwerk der Anne Frank Organisationen eingebunden zu dem folgende Organisationen gehören: ó Anne Frank Haus (Amsterdam) ó Anne Frank Fonds (Basel) ó Bildungsstätte Anne Frank (Frankfurt am Main) ó Anne Frank Trust (London) ó Anne Frank Center (New York) ó Centro Ana Frank (Buenos Aires) Jahresbericht 2020 ::: Organisation 49