Was verbindet Anne mit heute?

Dieser Teil der Ausstellung macht die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart deutlich. Die Besucher*innen können die Ausstellung an verschiedenen Stationen mit eigenen Beiträgen erweitern.

Bibliothek: Warum sind Tagebücher wichtig?

Der Bereich Bibliothek in der Ausstellung, © Foto: Gregor Zielke
Ausstellungsbereich Bibliothek: In der Ausstellung gibt es Annes Tagebuch in vielen Übersetzungen und auch als Tast-Kopie. © Foto: Gregor Zielke

Das Lesen von Tagebüchern hilft, die Vergangenheit zu verstehen. Anne führt ein Tagebuch, weil ihr eine gute Freundin fehlt. Durch das Schreiben kann sie es im Versteck besser aushalten. Was viele Menschen nicht wissen: Anne hat verschiedene Texte geschrieben. Und sie hat ihre Tagebuch-Einträge für eine Veröffentlichung überarbeitet. In diesem Bereich gibt es Informationen zu den Versionen von Annes Tagebuch. Und die Möglichkeit, selbst etwas aufzuschreiben.

»[…] werde ich jemals Journalistin und Schriftstellerin werden? Ich hoffe es, ich hoffe es so sehr! Mit Schreiben kann ich alles ausdrücken, meine Gedanken, meine Ideale und meine Phantasien.« Anne Frank

Die Versionen von Annes Tagebuch

»Geschichte kann nicht nur aufgrund offizieller Unterlagen und Archivakten geschrieben werden.«
Gerrit Bolkestein, Radio-Ansprache.

Der Radio-Aufruf des niederländischen Ministers Bolkestein ist für Anne der Anlass, um ihr Tagebuch zu überarbeiten: Sie möchte nach dem Krieg ein Buch über ihre Zeit im Versteck herausgeben. Einen Titel hat sie schon: »Das Hinterhaus«. Am 20. Mai 1944 beginnt sie mit der Überarbeitung: Vieles schreibt sie neu, vieles lässt sie weg. Ihr Buch ist unvollendet. Anne schreibt in ihrem Tagebuch am 20. Mai 1944: »Endlich nach sehr vielen Überlegungen habe ich denn mit meinem ›Hinterhaus‹ angefangen, in meinem Kopf ist es schon so weit fertig wie es fertig sein kann, aber in Wirklichkeit wird es wohl viel weniger schnell gehen, wenn es überhaupt jemals fertig wird.« Aus Mangel an leeren Heften überarbeitet Anne ihr Tagebuch auf losen Blättern. Es ist sehr schmerzhaft für Otto, das Tagebuch seiner ermordeten Tochter zu lesen. Er erfährt viel über Anne, das er vorher nicht wusste. Nach langem Zögern und dem Drängen von Bekannten entscheidet er sich schließlich, Annes Wunsch zu erfüllen und das Tagebuch zu veröffentlichen. Er stellt aus Annes Tagebuch und ihrer überarbeiteten Version einen Text zusammen. Er veröffentlicht ihn 1947 als Buch. Es heißt »Das Hinterhaus«. Es wird weltberühmt.

Beispiel für die Versionen von Annes Tagebuch:

a
»Nach Neujahr die zweite große Veränderung, mein Traum … und damit entdeckte ich Peter, entdeckte einen zweiten gleich schweren Kampf neben mir, entdeckte meine Sehnsucht nach einem Jungen […]. Aber dann und wann wurde ich ruhig. Nun lebe ich nur noch von Peter, denn von ihm wird sehr viel abhängen, von [dem] was mit mir weiter passieren wird!«

b
»Nach Neujahr die zweite große Veränderung, mein Traum… damit entdeckte ich meine grenzenlose Sehnsucht nach allem was schön und gut ist.«

c
»Nach Neujahr: Die zweite große Veränderung ... mein Traum. Dadurch entdeckte ich meine Sehnsucht nach einem Jungen […]. Nach und nach wurde ich ruhiger und fühlte ein grenzenloses Verlangen nach allem, was gut und schön ist.«


 

Bühne: Wer bestimmt, wer ich bin?

Ausstellungsbereich Bühne: Zeitzeug*innen und heutige Jugendliche berichten über sich und ihre Erfahrungen mit Diskriminierung. © Foto: Mandy Klötzer
Ausstellungsbereich Bühne: Zeitzeug*innen und heutige Jugendliche berichten über sich und ihre Erfahrungen mit Diskriminierung. © Foto: Mandy Klötzer

Anne ist eine selbstbewusste junge Frau, die Schriftstellerin werden möchte. Sie ist auch eine staatenlose Jüdin, die gerne Niederländerin wäre. Anne probiert in der Grundschule beim Theaterspielen gerne neue Rollen aus. Sie nennt sich selbst »ein Bündelchen Widerspruch«. Damit meint sie: Sie ist oberflächlich und witzig in Gesellschaft, aber ernst und nachdenklich, wenn sie alleine ist. Für die Nazis war Anne nur eins: jüdisch. Ein Mensch hat verschiedene Identitäten – woraus setzen sie sich zusammen?

»Ich werde immer unabhängiger von meinen Eltern. [...] Ich weiß, was ich will, habe ein Ziel, habe eine eigene Meinung, habe einen Glauben und eine Liebe. Lasst mich ich selbst sein, dann bin ich zufrieden! Ich weiß, dass ich eine Frau bin, eine Frau mit innerer Stärke und viel Mut!« Annes Tagebuch, 11. April 1944


 

Werkstatt: Wie sieht Gedenken aus?

Im Ausstellungsbereich Gedenken: Stolpersteine für die Familie Frank, Tast-Kopie, Anne Frank Zentrum, 2018. © Gunter Demnig, Foto: Gregor Zielke.
Im Ausstellungsbereich Gedenken: Stolpersteine für die Familie Frank, Tast-Kopie, Anne Frank Zentrum, 2018. © Gunter Demnig, Foto: Gregor Zielke. In Aachen wurden die Stolpersteine verlegt. Edith und ihre Familie stammten aus Aachen.

Gedenken ist ein Umgang mit Vergangenheit. Meistens geht es um die Anerkennung von Leid. Und um die Bestätigung: Diese Geschichte ist wichtig. Im öffentlichen Raum gibt es viele Denkmale. Wo genau sie zu sehen sind, ist wichtig. Sie erinnern an etwas, das nicht vergessen werden soll. Gedenken ist politisch umkämpft. Menschen streiten darüber: Woran soll erinnert werden? Und: Woran nicht?

»Leider Gottes lernt ja die Welt im Allgemeinen von der Vergangenheit nicht, aber wer kann, muß daran mitwirken, daß die Vergangenheit begriffen wird und die Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden. […] Ich betrachte Annes Tagebuch als eine Art Testament. Ein Positivum gegen Rassismus, Antisemitismus und für Verständigung der Menschen.« Otto Frank in einem Interview, 1979


 

Archiv: Wie zeigt sich Antisemitismus?

Im Ausstellungsbereich »Wie zeigt sich Antisemitismus heute?«: Besucher*innen können eigene Erfahrungen teilen. © Foto: Mandy Klötzer

Das Kriegsende ist kein Ende der antisemitischen Einstellungen. Nach 1945 werden nur wenige Nazis verurteilt. Viele kehren in ihre alten Berufe zurück. Zum Beispiel: in Schule, Politik, Medizin, Justiz und Polizei. Auch der Mann, der Annes Verhaftung leitete, hat später als Polizist gearbeitet. Heute gibt es die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus, RIAS genannt. Dort kann man antisemitische Vorfälle melden. RIAS veröffentlicht die Ergebnisse. Hier sind ein paar Beispiele. In der Ausstellung gibt es viele mehr.

»Wir Juden […] müssen mutig und stark sein […], müssen tun, was in unserer Macht liegt, und auf Gott vertrauen. Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch vorbeigehen, einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein!« Annes Tagebuch, 11. April 1944


 

Gästebuch: Annes Kastanien-Baum

Nur durch das Dachbodenfenster können die Versteckten ein wenig frische Luft schnappen. Es ist auch das einzige Fenster mit Blick auf den Kastanien-Baum im Hinterhof. Alle anderen Fenster des Verstecks sind tagsüber mit Gardinen verdeckt und nachts abgedunkelt. Der Blick hinaus weckte bestimmt viele Sehnsüchte und Träume. Der Kastanienbaum lud zum Nachdenken ein. In der Ausstellung können eigenen Gedanken auf ein »Kastanienblatt« geschrieben werden. Die Blätter werden an Annes Kastanienbaum geheftet. Je mehr Blätter der Baum trägt, desto umfangreicher ist dieses besondere Besucherbuch.

»Wir betrachteten den blauen Himmel, den kahlen Kastanienbaum, an dessen Zweigen kleine Tropfen glitzerten, die Möwen und die anderen Vögel, die im Tiefflug wie aus Silber aussahen. Das alles rührte und packte uns beide so, dass wir nicht mehr sprechen konnten.« Annes Tagebuch, 23. Februar 1944